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Medizin 863
Biographie
Struktur und
Publikum
Cavalese (1723–1788) zugeschrieben (vgl. Rindi/Violani 1991) – zu Unrecht, wie
die Sachlage zeigt. Die Dissertation weist Scopoli als Kandidaten, Payr jedoch als
Promotor auf. Anlässlich von Promotionen war die Publikation fachlicher Schriften
zwar üblich ; dabei kann die Autorschaft jedoch nicht immer einwandfrei geklärt
werden, da sowohl der Promovend als auch der ‚Doktorvater‘ in Frage kamen (vgl.
Schubart-Fikentscher 1970). Im Fall der Diaeta scheint die Sachlage aber eindeutig.
An ihrem Ende findet sich die Formulierung cum ipse iam senex sim (Bl. E3r ; „da
ich ja schon alt bin“). Scopoli war im Jahr seiner Promotion gerade 20 Jahre, Payr
hingegen bereits 58 Jahre alt, weshalb das Werk eindeutig Letzterem zugeschrieben
werden muss. Folgerichtig findet sich auch in der Autobiographie Scopolis Vitae
meae vices („Wechselfälle meines Lebens“) keine Erwähnung dieser diätologischen
Schrift (Violani 1991, 78).
Payr wurde 1685 in Innsbruck geboren. 1701 kam er als Student an die phi-
losophische Fakultät der Universität, 1706 erwarb er den medizinischen Doktor-
grad. Nach einigen Bildungsreisen, im Zuge derer er verschiedene Krankenhäuser
und die Pathologien ihrer Patienten studierte, wurde er Physicus in Innsbruck und
Leibarzt des Fürstbischofs Kaspar Ignaz von Künigl in Brixen. 1722 erhielt er den
Rang eines Professors der Institutionen in seiner Heimatstadt, 1741 folgten die
Professorentitel der Aphorismen und der Praxis. Payr, der auch zweimal Rektor der
Universität war, starb 1759 in Innsbruck (vgl. Probst 1869, 195–196 ; Gasser 3,
43–44 ; BS 6, 401–402).
In seiner Dissertatio nimmt sich der Verfasser der Frage an, welcher Lebenswan-
del, v.a. im Hinblick auf die Ernährung, Gelehrten am ehesten zuträglich sei. Die
Abhandlung ist dabei nach dem typischen Schema der sogenannten sex res non
naturales („sechs nicht natürliche Dinge“) aufgebaut : Licht und Luft (aer), Speise
und Trank (cibus et potus), Arbeit und Ruhe (motus et quies), Schlaf und Wachen
(somnus et vigilia), Absonderungen und Ausscheidungen (secreta et excreta) und An-
regung des Gemüts (affectus animi). Diese sechs Bereiche galten schon seit der An-
tike als Rahmenbedingungen für das Wohlbefinden des Menschen, die dieser selbst
beeinflussen könne. Im Gegensatz zum üblichen neutralen Stil in medizinischen
Traktaten fällt bei Payr auf, dass er sich immer wieder direkt an den Leser bzw. Pati-
enten wendet, was darauf hinweisen dürfte, dass die Schrift nicht nur einem engen
Kreis von Medizinern, sondern einer breiteren Schicht von Gelehrten zugänglich
sein sollte. Direkt Betroffene sollten offensichtlich die Möglichkeit haben, ohne
einen Fachmann einschalten zu müssen, selbst geeignete Maßnahmen gegen ihr
Leiden zu ergreifen. Dazu passt auch, dass in der Diätetik des 18. Jhs. der Begriff
der Bibliotherapie immer mehr Einfluss gewann. Gemäß dieser Theorie konnte ein
Kranker durch die Lektüre einer medizinischen Abhandlung einen eigenen Beitrag
zu seiner Heilung leisten (Engelhardt 1991, 51 ; Porter 2003, 285–286).
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 2
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 728
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- Abkürzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322