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884 Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773)
Tschiderer,
Officium iudicis sches Werk ist die Dissertation Conflictus iuridicus de iure belli et pacis („Juristischer
Streit über das Recht des Krieges und des Friedens“ ; Innsbruck 1679). Es handelt
sich um eine 14 Kapitel umfassende Sammlung der gängigen Lehrmeinungen zum
Thema, die einen guten Einblick in die zeitgenössische Ethik vermittelt. Besonders
hervorgehoben werden generell die Bedeutung einer wohlgeordneten Herrschaft
und das Prinzip der Selbsterhaltung.
Nach der Rechtfertigung (Kap. 1, S. 1–10) und der Definition des Krieges i.A. (Kap. 2,
S.Â
11–14) werden in Kap. 3–5 (S. 14–57) Kriegsparteien und Kriegsgründe behandelt. Zu
Letzteren gehören u.a. Verbrechen gegen die Menschlichkeit (S. 34–36, 54, 56–57) und
gegen Gott (S. 30, 50–54, 56–57). Kriege zwischen Christen werden generell missbilligt
(S. 18–21 ; dazu passt später [S. 64] die Bemerkung, heidnische Soldaten sollten nur im
Krieg gegen andere Heiden, nicht jedoch gegen christliche Gegner eingesetzt werden). Die
Untertanen dürfen nicht nach eigenem Gutdünken einen Krieg beginnen (S. 15–16). Es
reicht auch nicht aus, dass jemandem ein Unrecht zugefĂĽgt wurde : Es muss ihm auch die
Genugtuung verweigert worden sein (S. 56). In Kap. 6 (S. 57–64), das laut Titel die Wir-
kungen des Krieges behandelt, wird ĂĽberraschenderweise nur die Frage der Verantwortung
fĂĽr begangenes Unrecht diskutiert. Untergebene werden nicht zur Verantwortung gezogen,
da sie befehlsgebunden sind. FĂĽrstenberater sind dagegen sogar fĂĽr Unterlassungen rechen-
schaftspflichtig (S. 59–60). Nach der Kriegserklärung und ihren Rechtswirkungen (Kap.
7–8, S.Â
64–77) werden die Kriegsregeln erläutert (Kap. 9–10, S.Â
77–107), die im Wesentli-
chen dem Grundsatz folgen, dass der Zweck nicht alle Mittel heiligt. So sind etwa Tötung
von Kriegsgefangenen und Geiseln sowie Eidbruch verboten (S. 80, 86, 95–97) ; von der
VerwĂĽstung der Felder des Gegners wird abgeraten, da man diesen nicht zur Verzweiflung
treiben solle (S. 100–102). Die Kap. 11–13 (S. 108–124) behandeln Waffenstillstand, Frie-
den und Rechtswirkungen des Letzteren. Zum Schluss werden BĂĽndnisse diskutiert (Kap.
14, S.Â
124–126).
Johann Baptist Tschiderer (1651–1703) war der erste gebürtige Tiroler, der, wenn
auch unter großen Schwierigkeiten, an die Universität Innsbruck berufen wurde.
Er erhielt 1677 eine auĂźerordentliche Professur fĂĽr Zivilprozessrecht und bekam
später die Pandekten dazu. Als er 1686 zum oberösterreichischen Regimentsrat er-
nannt wurde, verließ er die Universität (De Luca 1782, 50 ; Probst 1869, 89–90,
97 ; Huter 1997, 288–289, 294–296). Sein rund 400 Seiten starkes Officium iudicis
deficiente actione („Pflicht des Richters bei mangelhafter Klage“), das 1682 an der
Universität disputiert wurde und im selben Jahr in Innsbruck erschien, behandelt
in zwei Teilen zu je vier quaestiones („Fragen“) einen wichtigen Bereich des Prozess-
rechts, nämlich das Ermessen des Richters, insbesondere in solchen Fällen, wo die
Klage nur ungenügend über das Begehren des Klägers Auskunft gibt.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 2
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 728
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- AbkĂĽrzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322