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Dichtung 923
In mortem Christi
Dialogabsicht
elegische
Dichtung ;
Bagatta
Bereits in jungen Jahren widmete sich Moar intensiv der lat. Dichtung : Mit 17
Jahren verfasste er seine In mortem Christi versus hexametri („Hexameter auf den
Tod Christi“ ; Trient 1837). In der Widmungsepistel wendet er sich an seine Mit-
schĂĽler, denen er das folgende Gedicht als Abschlussgeschenk am Ende ihres letzten
gemeinsamen Schuljahres ĂĽbergibt. Das Gedicht selbst umfasst 341 Hexameter.
Nach einer umfassenden Beschreibung der gesamten Schöpfung, die ein Beweis für die
Existenz Gottes sei (1–32), wird der Blick des Lesers auf den ans Kreuz genagelten Je-
sus gelenkt, der sich für die Menschheit opferte (33–51). Der Dichter fragt Gott, wie
es so weit kommen konnte (52–57). Im Sterben wendet sich Jesus seiner Mutter Maria
zu und übergibt sie der Obhut seines Lieblingsschülers (58–73). Dann richtet er seine
letzten Worte an Gott Vater und bittet ihn um Vergebung für die Menschheit (74–95).
An Jesu Tod am Kreuz (96–105) schließt sich die Klage des Erzählers (106–114) und der
Engel an (115–132). Der Erzähler kann nicht fassen, wie verblendet die Menschen, die
Jesus sterben ließen, waren (133–165). Doch die Juden waren uneinsichtig und unbelehr-
bar in ihrem Blutdurst (166–174), Jerusalem freute sich sogar über Jesu Tod (175–206).
DemgegenĂĽber fĂĽhrt der Dichter nun die Wohltaten vor, die Gott den Juden von Anfang
an zukommen ließ (207–242). Auch die Natur kann die Undankbarkeit der Juden nicht
fassen (243–283). Jerusalem soll sich fürchten, denn sein Untergang sei beschlossen, was
ein Vorverweis auf die Kreuzzüge belegt (284–305). Schließlich wendet sich der Dichter
an seine Zeitgenossen, die Christus um Vergebung ihrer Sünden bitten sollen (306–325),
und auch die Gottesmutter möge sich für die Menschen einsetzen, dass sie dereinst in den
Himmel kommen (326–341).
Ein Charakteristikum des Gedichtes ist die starke Tendenz, direkt mit dem Leser
in Kontakt zu treten. Der Erzähler erscheint als Vermittlerfigur, die ihren Lesern
das Geschehen zeigt : Allein die Wendung aspicite, ut („schaut euch an, wie“) findet
sich leitmotivartig nicht weniger als zwölf Mal,4 zusätzlich gibt es Formulierungen
wie cernite, ut („bemerkt, wie“) oder audite, ut („hört euch an, wie“), die den Leser
unmittelbar an das Geschehen heranfĂĽhren sollen. Zahlreiche Interjektionen und
Apostrophen des Erzählers verstärken diese Absicht noch, dem Leiden Christi eine
Bedeutung für die Lebensrealität des Lesers zu geben (zu Moars späteren Werken
vgl. hier S. 1079–1081).
Lat. Elegien wurden in den ersten Jahrzehnten dieser Epoche v.a. als Lob und
Huldigung auf hochgestellte Persönlichkeiten verfasst. Erwähnt werden kann hier
zunächst ein Gedicht, das zwar nicht in Tirol geschrieben wurde, sich aber auf
einen Tiroler bezieht, den 1795 in Rovereto verstorbenen Clementino Vannetti.
4 So in V. 39, 42, 45, 106, 246, 249, 255, 257, 263, 266, 271, 277.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 2
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 728
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- AbkĂĽrzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322