Seite - 995 - in TYROLIS LATINA - Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 2
Bild der Seite - 995 -
Text der Seite - 995 -
Brief 995
Briefsteller aus
kirchlichem
Kontext
Rundbrief aus der
Krisenzeit
Wertschätzung erfahren habe, sondern geringe und kaum eines Vergleichs mit Catull für
würdig befunden worden sei […]. Du siehst, um wie viel milder das Urteil in dieser For-
mulierung ausfällt. Ich jedenfalls halte bereits das für ein Kompliment für diesen Dichter,
dass es jemandem in den Sinn gekommen ist zu erwägen, ob er mit Catull verglichen
werden könne.
Insgesamt sind, wie bereits betont, Sperges’ und Vannettis Beiträge zur lat. Brief-
literatur Tirols nur mehr der Schwanengesang einer zum Untergang bestimmten
Gattung. Dem war v.a. deshalb so, weil die Schließung der Klöster in der napole-
onischen Zeit dem Lateinischen einen wichtigen Lebensraum entzog, den es auch
nach ihrer Wiedereröffnung nie mehr vollständig zurückgewinnen konnte. Zudem
hatte die Sprache auch in den Schulen und besonders in den Universitäten zuneh-
mend einen schwierigen Stand. Deshalb ist davon auszugehen, dass man in den
immer seltener werdenden Fällen, in denen man auf Latein korrespondierte, aus
Gründen der fehlenden Ausbildung und Übung verstärkt auf Briefsteller zurück-
griff. Ein schönes Beispiel aus dem kirchlichen Bereich haben wir in einem auf das
Ende des 18. Jhs. zu datierenden Manuskript, das aus dem Kapuzinerkloster Bre-
genz in das diesem traditionell sehr eng verbundene Ordenshaus in Innsbruck ge-
langte (Cap IBK, Panzerschrank). Der titellose Band ist 110 Seiten stark und bietet
Musterbriefe, die nach verschiedenen Kategorien geordnet sind, z.B. Antworten auf
Empfehlungsschreiben (Responsiones ad recommendatitias ; hier gibt es drei Typen :
supensivae, „hinhaltende“, 1–7 ; negativae, „ablehnende“, 10–18 ; und affirmativae,
„zustimmende“, 21–23), Stellungnahmen für Personen, die dem Protestantentum
abschwören (Testimoniales pro aliquo haeresin abiurante ; 31–34), Kondolenzschrei-
ben (Condolentiae in funere ; 43–44), Abschiedsbriefe an Freunde (Valedictoria ad
amicum ; 49), GlĂĽckwĂĽnsche zum Geburtstag, zu Neujahr oder anderen festlichen
Anlässen (Apprecatoriae ad natalicia, novum annum et alia festa ; 64–69) samt Ant-
wortschreiben (Responsoria ad priores ; 69–71) und verschiedene Danksagungen
(Gratiarum actiones variae ; 91–92). Trotz der in der Natur eines Briefstellers lie-
genden Tendenz zur Stereotypisierung zeichnet die Sammlung ein buntes Bild der
offiziellen Anlässe, die das Klosterleben um 1800 bestimmen.
Dieses einsprachige lat. Zeugnis ist aber nur mit Vorbehalt repräsentativ : Selbst
innerhalb der Kirche lassen sich nun immer mehr Fälle beobachten, in denen das
Lat. und die Volkssprachen auch im offiziellen Bereich koexistieren. Ein schönes
Beispiel hierfĂĽr ist eine im TLMF (Dip. 781) vorliegende Sammlung von Epistu-
lae encyclicae („Rundbriefe“ ; vgl. hier S. 794–796), die zwischen 1807 und 1810
aus der bischöflichen Kanzlei von Trient hervorgegangen sind : Insgesamt acht lat.
stehen sechs italienischen Beispielen gegenĂĽber, von einem italienischen Schrei-
ben (vom 31. Januar 1810) gibt es sogar eine deutsche Version. Die Sammlung ist
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 2
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 728
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- AbkĂĽrzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322