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1004 Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848
rationalistischer
Wunderglaube
Karl Schwarzel Der Gedankengang geht vom Begriff der Natur als Prinzip der Bewegung aus (§§ 1–2).
Die Ordnung ihrer Wirkungen sind die Naturgesetze, die Gott erlassen hat (§ 3). Im Ge-
gensatz zu natürlichen Wirkungen bezeichnet man übernatürliche als Wunder (§§ 4–5).
Als Urheber der Naturgesetze kann Gott diese nämlich im Einzelfall auch aufheben, um
eine besondere Wirkung zu erreichen (§§ 6–8). Solches zu tun, ist seiner auch nicht un-
würdig (§§ 9–11). Daher sind Wunder möglich (§ 12), doch nur Gott kann sie bewirken
(§ 13). Wir müssen nicht um alle Naturgesetze wissen, um Wunder mit hinreichender
Sicherheit als solche zu erkennen (§ 14).
Trotz Albertinis grundsätzlichem Glauben an Wunder kann man seine Position
insgesamt als rationalistisch bezeichnen. Sein vernunftbetonter Zugang zeigt sich
neben der in sich schlüssigen Argumentation der Schrift insgesamt beispielsweise in
seiner präzisen Klassifikation der Wunder (§ 4) : Nachdem er das Wunder insgesamt
als effectus supernaturalis („übernatürliche Wirkung“) definiert hat, unterscheidet er
zwischen effectus contranaturalis („widernatürliche Wirkung“, z.B. ein ins Feuer ge-
worfener Körper, der unversehrt bleibt) und effectus praeternaturalis („paranatürli-
che Wirkung“, z.B. Getreide, das wächst, ohne dass ein Samen ausgestreut wurde) ;
bei der letztgenannten Variante trennt er noch einmal auf natürlichem Weg absolut
unerklärliche Wirkungen als quoad substantiam („das Wesen [des Ereignisses selbst]
betreffend“, z.B. Auferstehung eines Toten) von Fällen quoad modum („die Art und
Weise betreffend“, z.B. plötzliche Heilung von schwerer Krankheit). Auch sein Ein-
geständnis, es gebe viele ‚Wunder‘, die sich bei genauerer Betrachtung als leeres
Gerede entpuppten, und seine Berufung auf Lodovico Muratori, der einen Mittel-
weg zwischen Leicht- und Ungläubigkeit empfiehlt (§ 12), klingen rationalistisch.
Schließlich verneint Albertini aufgrund seiner Ansicht, einzig Gott könne Wunder
wirken, auch die Möglichkeit der Magie, die Autoren wie Giovanni di Dio Staidel
und Alexius Planch noch kurz zuvor bejaht hatten (§ 13 ; vgl. hier S. 823–824).
In noch höherem Grade der Aufklärung verpflichtet war der 1779–1782 an der
Universität Innsbruck Patristik, Polemik und theologische Literaturgeschichte,
1782–1783 am Lyzeum Dogmatik und Polemik lehrende, später nach Freiburg i.B.
berufene Karl Schwarzel (1746–1809 ; Müller 1959, v.a. 31–53) aus dem nieder-
österreichischen Eggendorf, ein Schüler des bekannten Jansenisten Markus Anton
Wittola (1736–1797). Seine Haltung trat besonders deutlich 1781 zu Tage, als er
den für die Innsbrucker Professoren seit 1677 vorgeschriebenen Eid auf die unbe-
fleckte Empfängnis Marias (Mraz 1968, 123) eigenmächtig abänderte, was schließ-
lich sogar zu dessen Abschaffung in der ganzen Monarchie führte. Unter seinen
großteils schon auf Deutsch verfassten Schriften (Müller 1959, 7–9) sind aus sei-
nen Innsbrucker Jahren v.a. seine zweibändigen, insgesamt über 700 Seiten starken
Praelectiones theologiae polemicae („Vorlesungen über polemische Theologie“ ; Wien
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 2
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 728
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- Abkürzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322