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Philosophie und Naturwissenschaft 1027
Innsbrucker
Landwirtschafts-
schriften
des Gemeinwesens zu beteiligen hatten. Joseph II. ging mit einem symbolträch-
tigen Beispiel voran, als er 1769 auf einer Reise durch Böhmen einem auf dem
Feld arbeitenden Knecht den Pflug abnahm und selbst ein paar Furchen zog (vgl.
Haushofer 1967). Schon vorher aber war Landwirtschaft in den höheren Schichten
ein attraktives Thema geworden. Auf die Initiative von Maria Theresia hin wurden
quer durchs Habsburgerreich eine ganze Reihe von intellektuellen „Ackerbaugesell-
schaften“ gegründet, die sich u.a. der Publikation von Schriften zur Förderung der
Landwirtschaft widmeten. Tatsächlich spielt auch die 1766 in Innsbruck gegrün-
dete Gesellschaft für Ackerbau und freie Künste in Tirol in unserem Zusammen-
hang eine wichtige Rolle.
Als Pionier der Landwirtschaftsschriften kann nach Adrian Kemter (vgl. hier
S. 721–723) der aus Borgo di Valsugana stammende Nicolaus Sette (1728–1782 ;
vgl. Bonomi 1930) gelten. Als Professor der Physik veröffentlichte er 1764 in Inns-
bruck eine bemerkenswert lebendige und allgemein verständliche Festrede zur Ver-
leihung des Bakkalaureats (vgl. hier S. 947–948) an eine Reihe von Studenten der
Philosophie. Sie trägt den Titel : Quanta sit philosophiae cum praecipuo florentis com-
mercii fundamento seu patrii soli cultura societas („Wie eng die Philosophie mit dem
hauptsächlichen Fundament einer blühenden Wirtschaft, d.h. der Kultivierung des
Heimatbodens, verbunden ist“). Wie aus der Vorrede hervorgeht, will Sette die
damals weit verbreiteten Vorurteile gegenüber der Philosophie als nutzloser Wis-
senschaft mit der These entkräften, dass eine starke Wirtschaft ohne Philosophie
unmöglich ist. Er identifiziert eine produktive Landwirtschaft als einen wesentli-
chen Faktor in einer aktiven Handelsbilanz und preist im Hauptteil seiner Rede die
Errungenschaften der Philosophie auf drei Gebieten : der Kultivierung der Äcker,
dem Abbau von Bodenschätzen und der Nutzung von Wasserläufen. Freilich sind
mit „Philosophie“ hier v.a. Naturwissenschaften und Technik gemeint, die mittler-
weile den Lehrstoff in der Physik beherrschten. In der Folge nahm eine ganze Reihe
von Schriften das Thema der nützlichen Landwirtschaft auf. Sette selbst publizierte
1767 in Innsbruck noch eine De cursu fluminum tractatio physico-hydraulica („Phy-
sikalisch-hydraulische Abhandlung über den Lauf der Flüsse“). Dann war es v.a. der
bereits in der vorhergehenden Epoche erwähnte Johann Baptist von Zallinger SJ
(vgl. hier S.
847), der einschlägige Werke veröffentlichte (vgl. Abb. 166). An seinen
Schriften können wir auch ein bisher unbekanntes Phänomen im ‚philosophischen‘
Dissertationswesen beobachten : Erstmals werden Dissertationen – unter Weglas-
sung des akademischen Festapparats – ins Deutsche übersetzt. Angesichts des ge-
rade beim Thema der Landwirtschaft zentralen Imperativs der breiten praktischen
Anwendbarkeit ist das eine konsequente Entwicklung. Zallinger brachte von 1769
bis 1773 drei einschlägige Dissertationen in lat. Sprache heraus. Sie handeln vom
Ursprung und Wachstum der Früchte sowie von Pflanzenkrankheiten. Alle drei
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 2
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 728
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- Abkürzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322