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Philosophie und Naturwissenschaft 1041
Latein
argumentativ zu begegnen. Das wäre in Lechleitners Augen wohl schon zu viel An-
erkennung gewesen. Stattdessen will er den Übeln der „neuen“ Philosophie durch
seine klare Darstellung der „alten“ begegnen. Dabei vergleicht er sich ausdrücklich
mit den Kirchenvätern, die ebenfalls mit den Waffen der Philosophie gegen die
damaligen Sophisten zu Felde zogen.
In diesem Zusammenhang ist auch die gegen Ende unserer Epoche keineswegs
mehr selbstverständliche Wahl der lat. Sprache einsichtig. Was Lechleitner explizit
dazu sagt, beschränkt sich auf folgenden trockenen Satz in der Vorrede zur Lo-
gica von 1820 : Stylo autem Latino usus sum, ut facilius intelligerer. („Ich habe auf
Lat. geschrieben, damit ich leichter verstanden werde.“) Wenn das auf einer all-
gemeinen Ebene so wäre, müsste man sich wundern, wieso die offensichtlich er-
folgreich die Jugend verderbenden „neuen“ Philosophen ebenso wie Lechleitners
geistesverwandter Vorgänger in Tirol, Philibert Gruber von Zurglburg (s.u.), auf
Deutsch geschrieben haben. Auch die von Görres angeregte Teilübersetzung (s.u.)
und sein einleitendes Urteil, dass die lat. Sprache die Rezeption von Lechleitners
Werk behindere (XXIV, XLI), wären unverständlich. Diese Umstände werden auch
Lechleitner nicht entgangen sein. Sein Anspruch auf „leichtere Verständlichkeit“ ist
deshalb wohl in einem spezielleren Sinn zu deuten. Einen wichtigen Hinweis dar-
auf gibt ein weiterer Angriff auf die „Sophisten“ in der Vorrede zum dritten Band
der Philosophia theoretica :
Hinc sophistarum turba novam linguam, novam non tantum omni retro antiquitati, sed toti
generi humano peregrinam sophiam profiteri, in singulos vix non annos nova systemata procu-
dere, novos certe scientificis terminis significatus annuatim subrogare, donec ea linguae teutoni-
cae induceretur confusio, quae a Babelica parum distaret.
Und so trägt der Haufen der Sophisten eine neue Sprache und eine neue Weisheit zur
Schau, die nicht nur der gesamten alten Zeit, sondern dem ganzen menschlichen Ge-
schlecht fremd ist : Beinahe jedes Jahr schmieden sie ein neues System, und bestimmt jähr-
lich unterlegen sie den wissenschaftlichen Begriffen neue Bedeutungen, bis sie eine solche
Verwirrung in die deutsche Sprache gebracht haben, dass sie sich wenig von jener zu Babel
unterscheidet.
Vor diesem Hintergrund lässt sich vermuten, dass Lechleitner die ‚alte‘ lat. Sprache
wählte, weil er der ‚neudeutschen‘ Konfusion der modernen Philosophie entge-
hen wollte. Gleichzeitig enthebt diese Entscheidung den Autor auch bis zu einem
gewissen Grad der Pflicht, eine direkte argumentative Konfrontation mit seinen
Gegnern zu suchen : Er spricht ja weder im wörtlichen noch im übertragenen Sinn
dieselbe Sprache. Übrigens war Lechleitner mit seiner Kritik an der babylonischen
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 2
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 728
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- Abkürzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322