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1076 Von der Revolution 1848 bis heute
Lat. in der
Ersten Republik
und im
Ständestaat
Anschluss
Italianisierung
im Süden Landesregierung in Trient dachte, entsprechende Pläne aber scheiterten, sodass die
Radikalisierung auf beiden Seiten voranschritt. Sie fĂĽhrte auf italienischer Seite bei
einigen Extremisten zur Forderung nach der Brennergrenze, die Italien dann im
Londoner Vertrag von 1915 fĂĽr seinen Kriegseintritt zugesagt wurde. Man hoffte in
Deutschtirol zwar noch auf den neunten der 14 Punkte umfassenden Erklärung des
amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson, wonach die Grenze zu Italien den
„klar erkennbaren Linien der Nationalität“ folgen solle, der Staatsvertrag von St.
Germain schrieb die Abtrennung SĂĽdtirols dann aber fest.
Die Bildungspolitik der Ersten Republik war einerseits – wie schon in der aus-
gehenden Monarchie – von der deutschen Reformpädagogik, andererseits von der
aufstrebenden sozialdemokratischen Schulpolitik bestimmt. Beide waren (auch) ge-
gen den Neuhumanismus und den Primat der Alten Sprachen gerichtet. FĂĽhrender
Kopf der Reformbewegungen war der Sozialdemokrat Otto Glöckel (1847–1935),
der in seinen politischen Funktionen auch die nötigen Machtmittel in Händen
hielt. Er fand v.a. in Richard Meister (1881–1964), einem Klassischen Philolo-
gen und Erziehungswissenschaftler und fĂĽr Jahrzehnte bestimmenden Teilnehmer
am pädagogischen Diskurs in Österreich, einen mächtigen Gegenspieler. Glöckels
BemĂĽhungen um eine einheitliche Unterstufe im Sekundarbereich (noch heute
Thema und Zankapfel der österreichischen Bildungspolitik) führten in den auf
das Mittelschulgesetz von 1927 hin im Jahre 1928 erlassenen Lehrplänen erstmals
zu lateinlosen Anfangsjahren im Gymnasium sowie zu einer Ausweitung der mit
weniger Lateinstunden ausgestatteten Formen des Realgymnasiums. Einiges davon
wurde im Ständestaat ab 1934 revidiert, wobei ein verstärkter Sprachunterricht und
in ihm eine Aufwertung des Lat. ganz explizit als Mittel der Auslese dienen sollten.
Auch das 1934 mit Rom abgeschlossene Konkordat war dem Lat. förderlich.
Der Anschluss an das nationalsozialistische Deutschland beendete diesen kurzen,
fĂĽr die lat. Literatur Tirols praktisch bedeutungslos gebliebenen Versuch, die ehe-
malige Stellung des Lat. zumindest im Kanon der Schule zu retten. In Deutschland
war das humanistische Gymnasium 1936 abgeschafft worden, die Lehrpläne des
Jahres 1938 brachten eine generelle Politisierung des Unterrichts und verstärkten
die schon seit langem wirkenden nationalistischen (und damit jedenfalls auch ge-
gen das Schulfach Lat. gerichteten) Tendenzen nochmals erheblich. Verschärfend
traten antisemitische, antiintellektuelle und in Tirol speziell auch antiklerikale
ZĂĽge hinzu.
In den italienischen Teilen des Landes Tirol begann der Faschismus bereits bald
nach der Eingliederung in das Königreich Italien zu wirken : 1922 ergriff Musso-
lini die Macht. Die durchgehende und ĂĽberaus brutale Italianisierung, die sich
zudem nicht selten antik-römischer Versatzstücke und sogar römischer Dichter-
worte bediente, war einem lateinfreundlichen Klima auf Seite der UnterdrĂĽckten
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 2
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 728
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- AbkĂĽrzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322