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1130 Von der Revolution 1848 bis heute
Noldin, Summa
theologiae moralis
Charakteristik
Kritik Mitten in den Alltag führt, wie übrigens auch weite Teile der Moraltheolo-
gie Gatterers und Stallers, die 1901 in Innsbruck erstveröffentlichte dreibändige
Summa theologiae moralis („Gesamtdarstellung der Moraltheologie“) des Hierony-
mus Noldin (1838–1922) aus Salurn. Der in Bozen, Trient und Innsbruck Ausge-
bildete und 1861 in Freising zum Priester Geweihte trat 1865 in den Jesuitenorden
ein. Mit der Ernennung zum Regens im theologischen Konvikt Innsbruck im Jahr
1875 begann sein eigentliches Lebenswerk, die praktische Bildung und Schulung
der Priesteramtskandidaten. 1885–1890 Dozent für philosophische Propädeutik in
Innsbruck, erhielt er 1890 den Lehrstuhl für Moral- und Pastoraltheologie, den er
bis 1909 innehatte. Die aus den Innsbrucker Vorlesungen hervorgegangene Summa
wurde wegen ihrer Klarheit und Gründlichkeit, der Orientierung an der Praxis und
des ausgewogenen Urteils zu einem hochgeschätzten, in aller Welt verwendeten
Lehrbuch (Coreth 1958, 159–160). 1917 bearbeitete Noldin die 15. Auflage, die er
dem neuen Kirchenrecht anpasste ; bis 1923 wurden über 70000 Exemplare abge-
setzt (vgl. Heinzel 1958, 207 ; Gelmi 1986, 205). In deutscher Sprache publizierte
er zur Herz-Jesu-Thematik. Außerdem machte er sich durch Arbeiten zum Eherecht
verdient.10
Die Vorstellung der Summa kann sich an eine prägnante Würdigung durch Gott-
fried Heinzel (Heinzel 1958, 206–209) anlehnen. Das in einfachem, klar verständ-
lichem Lat. verfasste Werk ist in erster Linie praktisch orientiert ; Ergebnisse sind
wichtiger als deren Ableitung und Begründung. Einem Verständnis von Moraltheo-
logie als Normwissenschaft verpflichtet, legt der Verfasser die Prinzipien eindeutig
dar, bezieht auch zu strittigen Punkten Stellung und klammert selbst die Kasuistik
nicht ganz aus. Die – von Hilarius Gatterer (s.o.; Compendium theologiae moralis,
Bd. 2, 1) ausdrücklich abgelehnte – Einteilung des Stoffes nach den zehn Geboten
und den sieben Sakramenten ist dem Finden rascher, unzweideutiger Antworten
förderlich. Das Werk ist daher ein leicht handhabbarer Studienbehelf und kann
zudem vielbeschäftigten Seelsorgern und Beichtvätern zum raschen Nachschlagen
dienen. Ein abgeschlossenes, vollständiges System der wissenschaftlichen Moral-
theologie bietet es jedoch nicht.
In der eben beschriebenen Eigenart blieb der Summa die Anerkennung durch
neuscholastisch geprägte Theologen versagt, weil sie die übernatürliche Grundlage
der sittlichen Persönlichkeit vernachlässige. Zu Noldins Verständnis der Moral als
Normwissenschaft wurde angemerkt, dass er sich zu eng an das Kirchenrecht an-
lehne und weitere Motive schuldig bleibe. Diese Kritik ist jedoch nicht zur Gänze
10 Vgl. Grass 1951, 208. Aus dem umfangreichen weiteren Œuvre Noldins sei die Epitome theologiae
moralis universae („Auszug aus der gesamten Moraltheologie“ ; Innsbruck 1912) herausgegriffen, die
ebenfalls zahlreiche weitere Auflagen erlebte.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 2
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 728
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- Abkürzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322