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1134 Von der Revolution 1848 bis heute
Exegese in Trient :
Wieser über
Paulus
Glaube und
Werke Heiligen Geist unterstützten Kirche anvertraut habe. Andere seien dieses Schlüssels
nicht würdig (IX). Messmer selbst erklärt in der Folge, er wolle v.a. die inneren Zu-
sammenhänge der einzelnen Teile des NT aufzeigen (X). Mit diesem Anliegen steht
er in der Tradition des Pariser Oratorianers Richard Simon (1638–1712), den er in
einem Abriss der Geschichte seiner Disziplin auch besonders würdigt. Was ihn mit
diesem Begründer der Bibelkritik außerdem verbindet, ist das Anliegen, die Schrift
gegen falsche Folgerungen rationalistischer Gelehrter zu verteidigen (vgl. BBKL 10,
424–428). Bei der Darstellung der Unterschiede zwischen Katholiken und Protes-
tanten ist er jedoch um Objektivität bemüht (4). Gleich Kaspar Unterkircher (vgl.
hier S. 1018), auf den er sich ebenfalls beruft, sieht Messmer den Aufgabenbereich
der Exegese sehr breit gefächert und räumt daher ein, er könne nicht mehr als eine
adductio („Hinführung“) bieten. Mit seinem Konzept der Einführung als Geschichte
der Offenbarung, mit dem er auch die Kapiteleinteilung (Evangelien, Apostelge-
schichte und Apostelbriefe, Apokalypse) begründet, und mit der Forderung, der
Exeget müsse dem Niveau des ursprünglichen Zielpublikums sowie zeitlichen und
räumlichen Gegebenheiten Rechnung tragen, folgt er wiederum dem Beispiel Si-
mons. Deutlicher als dieser betont er allerdings die dogmatischen Implikationen der
Exegese, etwa durch eine starke Akzentuierung der Inspiration (5–7).
Joseph Wieser (1828–1899) aus Völlan studierte in Meran, Brixen und Trient
und empfing 1854 die Priesterweihe. Anschließend war er in der Seelsorge tätig,
ehe er 1857 als Professor für neutestamentliche Exegese und Fundamentaltheologie
ans Seminar zu Trient berufen wurde. Als solcher wirkte er bis zu seiner Ernen-
nung zum Stadtdekan und infulierten Propst in Bozen im Jahr 1872. Außer theo-
logischen Fachpublikationen liegen von ihm auch literarische Arbeiten vor (Flabbi
1907, 91 ; Lantschner 1980, 528–529). In seiner 1874 in Trient publizierten Mono-
graphie Pauli apostoli doctrina de iustificatione („Die Lehre des Apostels Paulus über
die Rechtfertigung“) legte er ein schönes Beispiel für die praktische Nutzbarkeit
der Exegese und die Kontextualisierung ihrer Ergebnisse vor, ganz im Sinn der von
ihm für notwendig erachteten Unterscheidung zwischen Exegese als erster Stufe
und biblischer Theologie als zweiter (2). Die Wahl der lat. Sprache begründete er
mit dem Wunsch, dem Werk zu internationaler Verbreitung zu verhelfen, obwohl
er persönlich das Deutsche bevorzugt hätte (VI).
Der Untertitel besagter Schrift hält fest, dass sich ihr Verfasser der Thematik
auch mit einem dogmatischen Ansatz nähert, v.a. aber lässt er keinen Zweifel auf-
kommen, welch brisantes Thema dieser gewählt hat : Es ist die Frage, die schon
für Martin Luther zum Stein des Anstoßes geworden war, nämlich die nach dem
Verhältnis von reinem Glauben und guten Werken als Voraussetzungen der Recht-
fertigung. Es dürfte daher mehr als ein Bescheidenheitstopos sein, wenn Wieser
einleitend erklärt, er sehe der Aufnahme des Buches mit Sorge entgegen (VI). Zwei
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 2
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 728
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- Abkürzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322