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Prosa 1153
Giacomo
Bresadola
Fachsprache der
Mykologie
Die weniger wahrscheinlichen Verteilungen sind nämlich weniger häufig als die wahr-
scheinlicheren und die wahrscheinlicheren sind, einmal eingetreten, auch beständiger und
dauerhafter.
Das bedeutendste naturwissenschaftliche Œuvre dieser Epoche in lat. Sprache aus
Tirol dürfte der große Mykologe Giacomo Bresadola (1847–1929) hinterlassen ha-
ben. Der gebürtige Trientner wurde 1870 zum Priester geweiht und betreute in der
Folge verschiedene Pfarreien im Trentino, bevor er 1885 zum Administrator des
Trientner Domkapitels ernannt wurde. 1910 trat er in den Ruhestand (Traverso
1933). Von den späten 1870er-Jahren bis zu seinem Tod schuf er ein gewaltiges
Lebenswerk, wobei unter zahllosen Zeitschriftenbeiträgen und anderen kleineren
Arbeiten zwei Publikationen herausragen : zum einen die 1881–1900 in Trient
erschienenen, 1976 nachgedruckten Fungi Tridentini novi vel nondum delineati
(„Neue oder noch nicht beschriebene Pilze aus dem Trentino“) mit Beschreibungen
und Zeichnungen von 281 einheimischen Arten, zum anderen die monumentale,
zum größten Teil postum herausgegebene Iconographia mycologica („Mykologische
Zeichnungen“ ; Mailand 1929–1933) in 26 Bänden mit 1250 Bildtafeln.
Obwohl Pilze eigentlich keine Pflanzen sind, gilt die Mykologie traditionell als
Teildisziplin der Botanik, in der Lat. bis heute eine wichtige Funktion erfüllt : Nicht
nur die Namensgebung, auch die Erstbeschreibung neuer Arten muss nach wie vor
in dieser Sprache erfolgen. Die Fachsprache, die sich dazu seit der Renaissance, ins-
besondere seit Carl von Linné entwickelt hat, ist noch weit technischer und subtiler
als das nach Bedarf zurechtgemachte Wissenschaftslatein der cosmologi und im Ge-
gensatz zu diesem sorgfältig kodifiziert (vgl. z.B. Stearn 1966). Bresadolas Œuvre
ist zum größten Teil, einschließlich der beiden Hauptwerke, in diesem sehr spezi-
ellen Lat. verfasst. Seine Pilzbeschreibungen sind stereotyp aufgebaut – Schirm-
kappe, Lamellen, Stiel, Fleisch, Sporen, Sporenständer, Zellstruktur, Ort und Zeit
des Auftretens, Verwechslungsmöglichkeiten – und von exemplarischer Präzision.27
Ihr Vokabular ist so technisch, dass sie sich nur schwer in einer modernen Sprache
wiedergeben lassen. Sie stellen ein ausgezeichnetes Beispiel für den fortdauernden
Nutzen des Lat. als Wissenschaftssprache und für die fachsprachliche Weiterent-
wicklung dar, die es dabei erfahren kann. Als Beispiel sei ein kurzer Auszug aus der
Beschreibung der Russula elegans Bresadola, des Eleganten Täublings, zitiert (Fungi
Tridentini, 21, vgl. Farbtafel 24) :
Pileus carnosus, tenuis, e convexo subdepressus, margine aetate tuberculoso-striatus, viscidus,
laete roseo-carneus, mox ambitu ochraceo-suffusus, totus dense granulatus, 3–5 cm. latus, […] ;
27 Stearn 1966, 170 zitiert eine Beschreibung aus der Iconographia als Musterbeispiel.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 2
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 728
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- Abkürzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322