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Die Welt von Gestern - Erinnerungen eines Europäers
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französischen Superpatrioten schrien, als dieser Aufsatz erschien, auf, als hätten sie versehentlich ein glühendes Eisen in die Hand bekommen. Über Nacht war Rolland von seinen ältesten Freunden boykottiert, die Buchhändler wagten den ›Jean Christophe‹ nicht mehr in die Auslagen zu stellen, die Militärbehörden, die den Haß brauchten zur Stimulierung der Soldaten, erwogen bereits Maßnahmen gegen ihn, eine Broschüre nach der andern erschien mit der Argumentation: ›Ce qu’on donne pendant la guerre à l’humanité est volé à la patrie.‹ Aber wie immer bewies der Aufschrei, daß der Schlag vollwichtig getroffen hatte. Die Diskussion über die Haltung des geistigen Menschen im Kriege war nicht mehr aufzuhalten, das Problem für jeden einzelnen unvermeidlich gestellt. Nichts ist mir bei diesen meinen Erinnerungen bedauerlicher, als daß mir die Briefe Rollands aus jenen Jahren nicht zugänglich sind; der Gedanke, sie könnten in dieser neuen Sintflut vernichtet werden oder verlorengehen, lastet wie eine Verantwortung auf mir. Denn so sehr ich sein Werk liebe, halte ich es für möglich, daß man später sie dem Schönsten und Humansten beizählen wird, was sein großes Herz und sein leidenschaftlicher Verstand jemals entäußert haben. Aus der maßlosen Erschütterung einer mitleidenden Seele, aus der ganzen Kraft machtloser Erbitterung geschrieben an einen Freund jenseits der Grenze, also einen offiziellen ›Feind‹, stellen sie die vielleicht eindringlichsten moralischen Dokumente einer Zeit dar, wo Verstehen eine ungeheure Kraftleistung und Treue zur eigenen Gesinnung allein schon einen grandiosen Mut erforderte. Bald kristallisierte sich aus dieser unserer freundschaftlichen Korrespondenz ein positiver Vorschlag: Rolland regte an, man solle versuchen, die wichtigsten geistigen Persönlichkeiten aller Nationen zu einer gemeinsamen Konferenz in der Schweiz einzuladen, um zu einer einheitlichen und würdigeren Haltung zu gelangen und vielleicht sogar einen solidarischen Appell im Sinne der Verständigung an die Welt zu richten. Er wollte von der Schweiz aus übernehmen, die französischen und ausländischen Geistigen zur Teilnahme einzuladen, ich sollte von Österreich unsere und die deutschen Dichter und Gelehrten sondieren, soweit sie sich noch nicht selbst durch eine öffentliche Haßpropaganda kompromittiert hätten. Ich machte mich sofort ans Werk. Der wichtigste, der repräsentativste deutsche Dichter war damals Gerhart Hauptmann. Ich wollte, um ihm Zusage oder Absage leichter zu machen, mich nicht direkt an ihn wenden. So schrieb ich unserem gemeinsamen Freunde Walther Rathenau, er möge Hauptmann vertraulich anfragen. Rathenau lehnte ab – ob mit oder ohne Verständigung Hauptmanns, habe ich nie erfahren –, es sei jetzt nicht an der Zeit, einen geistigen Frieden einzuhalten. Damit war eigentlich der Versuch gescheitert, denn Thomas Mann stand damals im anderen Lager und hatte eben in einem 180
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Die Welt von Gestern Erinnerungen eines Europäers
Titel
Die Welt von Gestern
Untertitel
Erinnerungen eines Europäers
Autor
Stefan Zweig
Datum
1942
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
320
Schlagwörter
Biographie, Litertaur, Schriftsteller
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 5
  2. Die Welt der Sicherheit 10
  3. Die Schule im vorigen Jahrhundert 29
  4. Eros Matutinus 56
  5. Universitas vitae 74
  6. Paris, die Stadt der ewigen Jugend 98
  7. Umwege auf dem Wege zu mir selbst 122
  8. Über Europa hinaus 135
  9. Glanz und Schatten über Europa 145
  10. Die ersten Stunden des Krieges von 1914 160
  11. Der Kampf um die geistige Brüderschaft 177
  12. Im Herzen Europas 189
  13. Heimkehr nach Österreich 208
  14. Wieder in der Welt 224
  15. Sonnenuntergang 240
  16. Incipit Hitler 263
  17. Die Agonie des Friedens 286
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