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Die Welt von Gestern - Erinnerungen eines Europäers
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der Wirkung, die sie ausüben, zu identifizieren. Ein Titel, eine Stellung, ein Orden und wie gar erst Publizität ihres Namens vermögen in ihnen eine höhere Sicherheit, ein gesteigertes Selbstgefühl zu erzeugen und sie zu dem Bewußtsein zu verleiten, ihnen käme besondere Wichtigkeit in der Gesellschaft, im Staate und in der Zeit zu, und sie blähen sich unwillkürlich auf, um mit ihrer Person das Volumen ihrer äußeren Wirkung zu erreichen. Aber wer von Natur aus mißtrauisch gegen sich selbst eingestellt ist, empfindet jede Art des äußeren Erfolges als Verpflichtung, sich gerade in diesem schwierigen Zustand möglichst unverändert zu erhalten. Damit will ich nicht sagen, daß ich mich meines Erfolges nicht freute. Im Gegenteil, er beglückte mich sehr, aber nur insoweit er sich auf das von mir abgelöste Produkt, meine Bücher und den damit verbundenen Schemen meines Namens beschränkte. Es war rührend, wenn man in Deutschland zufällig in einer Buchhandlung stand, zu sehen, wie ohne einen zu erkennen ein kleiner Gymnasiast eintrat, die ›Sternstunden‹ verlangte und von seinem mageren Taschengeld bezahlte. Es konnte die Eitelkeit angenehm reizen, wenn im Schlafwagen der Kondukteur den Paß nach Einsicht des Namens respektvoller entgegennahm oder ein italienischer Zollbeamter, erkenntlich für irgendein Buch, das er gelesen, auf die Durchwühlung des Gepäcks großmütig verzichtete. Auch das rein Quantitative der persönlichen Auswirkung hat für einen Autor etwas Verführerisches. Durch Zufall kam ich eines Tages nach Leipzig gerade an dem Tage, da die Auslieferung eines neuen Buches von mir begann. Es erregte mich merkwürdig, zu sehen, wieviel menschliche Arbeit man unbewußt in Schwung brachte mit dem, was man in drei oder vier Monaten auf dreihundert Seiten Papier geschrieben. Arbeiter verpackten Bücher in mächtige Kisten, andere schleppten sie stöhnend hinunter zu den Lastautos, die sie zu den Waggons nach allen Richtungen der Welt brachten. Dutzende Mädchen schichteten in der Druckerei die Bogen, die Setzer, Binder, Verfrachter, Kommissionäre werkten von früh bis nachts, und man konnte sich ausrechnen, daß diese Bücher, zu Ziegeln gereiht, schon eine stattliche Straße aufbauen könnten. Auch das Materielle habe ich nie hochmütig verachtet. Ich hatte in den Jahren des Anfangs nie zu denken gewagt, je mit meinen Büchern Geld verdienen oder gar auf ihren Ertrag eine Existenz aufbauen zu können. Nun brachten sie plötzlich stattliche und immer steigende Summen, die mich für immer – wer konnte an unsere Zeiten denken? jeder Sorge zu entheben schienen. Ich konnte großzügig der alten Leidenschaft meiner Jugend frönen, Autographen zu sammeln, und manche der schönsten, der kostbarsten dieser wunderbaren Reliquien fanden bei mir zärtlich behütete Unterkunft. Für die im höheren Sinne doch ziemlich ephemeren Werke, die ich geschrieben, konnte ich Handschriften unvergänglicher Werke erwerben, Handschriften von Mozart 237
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Die Welt von Gestern Erinnerungen eines Europäers
Titel
Die Welt von Gestern
Untertitel
Erinnerungen eines Europäers
Autor
Stefan Zweig
Datum
1942
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
320
Schlagwörter
Biographie, Litertaur, Schriftsteller
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 5
  2. Die Welt der Sicherheit 10
  3. Die Schule im vorigen Jahrhundert 29
  4. Eros Matutinus 56
  5. Universitas vitae 74
  6. Paris, die Stadt der ewigen Jugend 98
  7. Umwege auf dem Wege zu mir selbst 122
  8. Über Europa hinaus 135
  9. Glanz und Schatten über Europa 145
  10. Die ersten Stunden des Krieges von 1914 160
  11. Der Kampf um die geistige Brüderschaft 177
  12. Im Herzen Europas 189
  13. Heimkehr nach Österreich 208
  14. Wieder in der Welt 224
  15. Sonnenuntergang 240
  16. Incipit Hitler 263
  17. Die Agonie des Friedens 286
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