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VI. Biographisches. 4Ü9
Ich hatte heute nacht einen sonderbaren
?ranm, Ick träumte ein Vorspiel zur Meden,
von dem ich micl, jetzt mir noä, erinnere, das; es
g^n-, allegorisch ivnr, daß darin Medea auf
einem bctiarligen Wagen liegend erschien nnd
hallen und ssrll'itt't »lnirdc^ auch daß im ^auiV
dec- Stückes mich einmal als höchst passend über-
raschte, daß bei einer Stelle Medea mit deu
^.inö^n eine Brwegnng machte, als ob sie flöge
»der schwänuue, Tas Ganze hatte mich cnt-
c^> nun träumte ich foN, ,ch sei erwacht
und bei dem Thcatrrsekretar ^chrelwogel, dem
?rlium rrzählte uud meine Absicht, nach
dic,Vm mein Stück zu ändern. Ich konutc mich
>>!>!,! ni^ln- aus die eiuzelueu Uiustäudc meiues
Traumgesichtes erinnern, dachte nach, suchte
mir's zu vergegenwärtigen, fand endlich das
bieder 'Zusammen, uud hatte die größte
Freude darüber, als höchst poetisch nnd siun-
^iäsruuiertc auch mit einen, scheinbar viel
klarerem Bewußtsein über meinen Traum uud
Träume überhaupt, nnd das alles im Traum,
Älo ich aus diesem höchst lebhaften Traum e»
wachie, brm^isll'rtt'u sich meiner zwei Empiin-
düngen, Erstens kam mir mein wachender Zu-
stand gegen deu vorigen vor wie eiue Ieichuuug
einen. svnueul,elleu^ dann hatte ich ein eigenes,
uuaugenehmes Gefühl der Zeitbegrcnzuug, da
unr früher so vieles, so im Flng und in so
kurzer Zeit begegnet war.
Ich habe nichts üon jenem unablasseudeu,
charallerijiert, ,
Ter Niese Shakespeare aber seht sich salbst
1>d^ ' "vrage, nn sie gestellt, ewig nur er beant-
worte». ',Vichl>? mehr uun S!,a!rspeare! Tie
untergehen, wie sie aus ihm heruorgestiegeu
ist, Icb aber will frei sein und selbständig, lieber
e>u Wurm, der sich selbst sein Blatt sucht, als
der Flötenspieler, durch den Vaueanson cutzückt.
Mir liegt im Grunde an der Produktion
uiäns mehr, Ich habe nur ei» Bedürfnis, mich
in Ideen zu berauschen. Auf welche Art das
geschieht, und was dabei herauskommt, ist mir
nleicbgültig,
Ich biu ciu dorischer Nichter, Ich kümmere
mich deu Deuter um die Sprache der Leipziger
Magister uud des Dresdeuer Liedcrkrciscs, Ich
rede die Sprache meines Vaterlandes,
Sie sind auf ihrem Theater den prächtigen
Wons>l!wall gewohnt; die Handlung mit unbe-
Blöße ärgert ihr keusches Auge, Ich iihlc mich aber gerade jeucs Mittelding zwischen
Goethe und Kutzebuc, wie ihn das Nrama
braucht. Nie Deutsche« könnten vielleicht ein
Theater bekommen, weun mein Streben nicbt
ohne Erfolg bleibt. Mir selbst ist die Tchau-
bühue verhaßt. Was das Theater leisten kau»,
ist für mein individuelles Gefühl zn wenig zn>
gleich uud zu viel. Ich bin Teutscher gcuug,
anders; eine innere Notwendigkeit hält mein
Wesen auf dieseu Vahncn, Wenn jene, die ein
glaubte, er könne nur ciuc widerliche Wirkung
hervorbringen, wie gerade er und der ähnliche
vierte die Ursache waren, daß ich mein Stück
Widerstreben entgegensah, wenn sie wüßten, wie
dieser wirluugslose fünfte Akt bestimmt war,
jeue widrigen Eindrücke wieder gut zu machen
Geleise zurückführen sollte, — Veuu sie wüßtcu!
Aber sie wissen uichi^,
Tas Theater erregt mir Abscheu, uud künnut
oder daß ich wieder etwas schreiben soll, so
reißt sich ein ungeheueres Gefühl iu meinem
Inneren los, ich fehe einen so ungeheueren Ab-
felbst zu töten, war mir schon oft nahe, Tas
sind nun freilich Läppereien, und so etwas zn
n,u wird niemanden einfallen, aber der Gedanke
Einer meiner Hauptfehler ist, daß ich uicht
de» Mut habe, meine Individualität durchzu-
setzen, llber dem Vestrebeu, es allen recht zu
machen »nd mich ja ini Äußerlichen nicht zu
macht gewöhnlich, daran ist meine früheste Er-
ziehung schuld, Meiu Vater duldete durchaus
sische Ekel erhielt teiue Guade, uud bei Tische
durfte z, B, keine Speise uuberührt bleibe».
Ich führe daher ein. eigentliches Philisterlcbcn,
das Bureau wird höchst regelmäßig besucht, die
vorlommeudeu geistlosen Geschäfte ebenso geist-
los aber aufs piiutilichste besorgt, Vei dem uu»
v^rmeidlichen Zusammentreffen mit andern er»
die Gesellschaft zn verlassen, suche ich aus un-
zeiligrr Schonung der audcru dem Zustande die
wohnlich spasibaft, was mich selbst freilich am
wenigsten amüsiert, aber die andern des drücken»
Spaßmacherei, diese erkünstelte Lustigkeit taun
Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
- Titel
- Grillparzers sämtliche Werke
- Untertitel
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Band
- II
- Herausgeber
- Rudolf von Gottschall
- Verlag
- Hansa-Verlag
- Ort
- Hamburg
- Datum
- 1906
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.2 x 15.9 cm
- Seiten
- 552
- Schlagwörter
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik