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VII, Aphorismen. 529
gefüllt wird, das seinem eigenen Niesen nicht
geradezu widerspricht, aber ein Übergreifen
ciries Traditionellen in die von ihm erkannten
>^e,Vne der Natur und in die Grundlagen der
moralischen Wertbesliniiniiug laßt er sich nnn
und uimmeimelir gefallen. Von einer ^chdpinng
aüo Nichts, von einer Gestaltverwandliing, einer
'.'lber in einer gewissen magischen Ununterscheid«
barteit taun das fort und sort bestehen, fo daß,
!N'!,!,nen, diese ^ieligion das Menschengeschlecht
Iwfsenllich bis an sein Lnde begleiten wird,
beleben, dazn reicht keine Macht der Lrde hin,
Tazn fniißtc man sie erst lebhaft ins Veiviißt«
sein rufen, wo sie sich dann in Nichts auflösen,
Tas ist das ucne Christentum, das einen
Gutt setzt, der aber zugleich das All isti das
die göttliche Natur Christi zugibt, aber nicht
anders als die Iularnaiioneii von Wifchnn; dem
die Religion eine Gläubigerabfiudnug nach dem
der Notnagel einer unterstützten Philosoplne,
endlich — gut uud böse eiue Art Polaritäts-
gcgenfatz, au dem der negative Pol nicht ein
der positive. Tas Gräßlichste in der neuesten Religiosität
von einem theoretischen Bedürfnis ausgeht, 3ie
wollen das Geheimnis des Werdens, dciö Wesen
der Tnbstanz, das Verhältnis der Notwendigkeit
zum Willen einsehen, indes der >!ern des
^ln'isientuins kein theoretischer, sondern ein
vratiischer ist, Iwar nicht die Moral, wie die
Aufklärung meinte, wohl aber die Heiligung,
die Rehabilitierung des Menschengeschlechtes,
die Austilgung der bösen Anlage, die durch die
Lrbsünde in nnscr Tnn nnd Wollen getoiiunen
sein soll. Wenn der Zweck Iesn die Crleuchtuug
einwnrf gegen die Göttlichkeit feiner 3euoung
iu dem UnznreiÄ)enden seiner Crllärnngen,
Tic Religion ist endlich dahin gekommen, wo
sie eine eigentliche Wohltat für die Menschen
wird, Taß die peinigende Lehre des Unbegreif-
liche» eine gegenständliche Ausfüllung, das; das
Gute nnd Wahre eine objektive Geltnng erl,ä!l,
deren superuaturalistischc Gebilde zugleich aber
nicht mehr stark genug find, nm im Widersprmh
Gipfelpunkt der schwer erkauften ^orlfchritte.
Man sollte sich hüten, dieses glückliche Verliältuis
durch gewaltsame Verstärkung des einen der
beiden Faktoren zn stören, lind weuu fa, eher
durch ein minus des Positiven, als dnrch ein p!u.,.
. Zur Welt- und Menschenkunde.
Nie Betrachtung tötet, weil fie die Person-
zwifchen beiden durch wäre der wahre Weg,
mäßigen Verstände nicht so schwer, als manche
Leute sage»! aber im ^eden demgemäß handeln,
als die Praxis in allen Ningen, gegen die
Wie groß find die Fortschritte der Mensch»
heil, weuu wir auf den Punkt fehen, uon dein
i>e ausginge und wie tleiu, bclrnchteu wir den Ter Geist des Menschen und der Gang der
Welt ist sich unter allen llmstäudeu und zu
allen Zeiten so gleich, daß feiten ein Wahres
wird, »
Die auf dem <I;eau des ineufchlicheu Wissens
rudern wollen, kommen nicht weit, und die die
3egel aufziehen, verfchlägt der Etnrin,
c.riüi'arzciZ sämtliche Nccle, I I . UniVr hundert Menschen ist kaum einer, bei
einen lüchiigen, selbständige» Verstand hat;
unter tausend laum einer, der eine tüchtige, Iel>'
haste Phantasie hat; und nnter zelüitaufend nnt
Verstand nnd Phantasie begabten Mens^en
lauiii einer, bei dem beide Hand in ^aud g>. h.'n
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Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
- Titel
- Grillparzers sämtliche Werke
- Untertitel
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Band
- II
- Herausgeber
- Rudolf von Gottschall
- Verlag
- Hansa-Verlag
- Ort
- Hamburg
- Datum
- 1906
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.2 x 15.9 cm
- Seiten
- 552
- Schlagwörter
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik