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Das Kloster bei Sendonür.
Nach einer als wahr überlieferten Begebenheit.
(H)ie Strahlen der untergehenden ^onne ver
^^ g0ldeie,i die Äl'üänge eines der reitendsten
Täler der Woiwodschaft Sendomir, Wir zlini
Scheidetuß ruhten sie auf den Mauern des an
der ^sljcite sensierreicl, und wuhnlich prangenden
,>!l0ste»?, als eben zwei Reiter, von N'enigen
dienern begleitet, den Sanm der gegenüber-
liegenden Hiigeltette erreichten nnd, von der
locke gemahnt, nach lurzem, betrachten-
dem Verweile,,, U,',e Pferde in schärferen ^rott
setzten, taleinwärlo, dem «losler ,^n,
lcidnng der späten Gäste bezeichnete die
Fn'mdl'ii. Vreilgedrücktc, befiederte hüte, das
(ilen!o>>er vom dnnteln Arustharnisch gedrückt,
die strafsanlicgcndcn Ilnterüeider nnd Hollen
Stulpstiefel erlaubten nicht, sie sür eingeborene
Polen zn halten. Und so war es auch. Als
Boten des deutschen Kaisers zogen sie, selbst
Teutsche, an den Hof des kriegerischen Johann
Sobieslh, und vom Abend überrascht, suchten
sie Nachtlager in dem vor ihnen liegenden
Kloster,
Tas bereits abendlich verschlossene Tor ward
den (nnlaßheifchendeu geöffnet, und der Pförtner
hieß fie eintreten in die geräumige Gaststube,
wo Erfrischung und Nachtruhe ihrer warte; ol>
gleich, wie er entschuldigend hinzusetzte, der Abt
Me Angabe des etwas mißtrauisch blickenden
Mannes ward durch den eintönigen Zusammen-
klang halb sprechend, halb singend erhobener
Stimmen bekräftigt, die, aus dämpfender Ferne
durch die hallenden Gewölbe fich hinwindrnd,
den Chorgesang einer geistlichen Gemeine deut-
lich genug bezeichneten,
Tie beiden Fremden traten in das angewiesene
Geinach, welches, obgleich, wie das ganze Kloster,
offenbar erst seit tnrzem erbant, doch allvrlüni«
liche Spitzformen mit absichtlicher Genauigkeit nachahmte Wenu^, dmb anständige Geräte
war rings an den Wänden verteilt. Nie hohen
Vogeufcnster gingen ins Freie, wo der in Osten
aussteigende Mond, mit der letzten '.Il'endhelle
tanipiend, nur sparsame Schimmer auf die Er-
Iwhnngen des Inuilichlen ^odeno wiiii, ,nd>'>
in den Falten der Täler und unter den ^äumon
des Forstes sich allgemach du' '.>>mM üin ,>n>',!i
dnnkcln Gefolge lagene, >md die s!,»e >^i>I>e,
Die eigenen 3,Vner der Hiitter trngen Wein
auf und Al'l'nd^'s! ^'in tn'ldgesügter Tisch, in
die ^'liistung des geöffneten Bogenfensters ge-
rückt, empfing die ermüdeten Gäste, die, auf hohe
Ärnislülile gelagert, fich bald an dem Zander,!>I,en
Spiele des Mondlichtes ergötzten, bald, zu Wein
Neife des nächsten Tages's!,,
(5ine stunde mochte ans diese Art vergangen
sein, Tie Nacht war vollends eingebrochen,
Glockcnllang und Chorgesang längst velstnmmt,
Tic znr Nul,e gesendeten T,e,ier !,>itte>, eine
diistcil'rennendc Ampel, in der Mitte des Ge-
maches hängend, angezündet, und noch iumu'l
Gespräch; vielleicht vom Zweck ihrer Neise,
oiieiwar von Wichtigem, ?a pockite es mit
trästigcm Finger an die Türe des Gemaches, und
ehe man noch, ungern die Nede unterbrechend,
mit einem! herein! geanlivortet, öffnete sich
diese, und eine seltsame Mens^^mvii.Ut trat ein,
mit der Frage: ob sie Feuer bedürften?
an !,!>>nercn Stellen geslultes ',Nii,,cho!>>.',d >V'
hüllt, das sonderbar genug gegen den derden,
gedrungenen >l öl perbau abstach. Obgleich von
Alter schon etwas gebeugt, und mehr unter als
über der Mittelgröße, war doch ein eigener Aus-
druck von Entschlossenheit und Kraft über fein
ganzes Weftn verbreitet, so daß, die Kleidung
Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
- Titel
- Grillparzers sämtliche Werke
- Untertitel
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Band
- II
- Herausgeber
- Rudolf von Gottschall
- Verlag
- Hansa-Verlag
- Ort
- Hamburg
- Datum
- 1906
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.2 x 15.9 cm
- Seiten
- 552
- Schlagwörter
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik