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Zur Geschichte und Zeitgeschichte.
Ein großer Teil uon dein angenehmen Ein-
druck, den die Gemälde der ältere,: ?1teister auf
uns machen, mag wohl auch in dem Nährenden
liegen, das jedes redliche Streben hat, dem der
Erfolg aus Mangel der Mittel entgeht. So
zieht auch das Steiie in alten Gedichten und ^'Inoniten an. Die Unlieholfcnhcit scheint Nn»
schuld, und die Manier einer verflossenen Zeit
wird, wenn man sie, statt mit ihrer, mit unserer
Zeit vergleicht, zum Charakter, wohl gar zum
. Studien zur Geschichte und Zeitgeschichte.
i,ibcr dcn Nutzen des Studiums der
Geschichte.
Ich gestehe, daß mich eine Art Schauder bei
diesen Worten anwandelt. Jeder Mensch er
lennt sein ^eln'n alö eine Verkettung von i.'eide-
stabe, und doch soll ans dem Gesamtlcben der
Menschheit, diesem Weltsystem von Irrtümern
haften, ungeheuren Fortschritten, die trotz ihrer
wo die Fmtjchritte schun gemacht sind, und nicht
die Geschichte, wo sie erst zn machen waren,
Stndinm der Weltcrcignisse nichts von seinem
Werten ni,r N'ird er mehr ein negativer: durch
was zu gefchclien hat.
Weiter, was ist denn Geschichte? Was gestern
geschehen, ist für heute Geschichte, sowie, was
heute geschieht, für morgen. Will man aber
Geschichte im enqeren Tinne, als dnrch die lehten
folgen belelnend, auf jene Zustände beschränten,
die bereits zum Abschlüsse gekommen sind, so
I^-n lichtet werden kann, als was zugrunde ge-
gangen ist und eben deshalb nur eine negative
und das Christentum sind noch heute nicht ab-
geschlossen, eben weil ihre Wirkungen nuch fort»
danern
Xün! novi in rnun6o, sagt man. In der Welt
^-schieln nichto ')>euco, 3er 3ay ist ganz richtig,
ebenso richtig als der andere: das Alte kommt
nie wieder. Wer in der Zeit immer nur das
Alte sieht, ist ein Pedant, Wir in ihr nur Neues
erblickt, ,it ein Tnmmtt'ps, nnd ich fürchte, daß
meine lieben Landslcute, die von einer neuen
Welt, einer neuen Literatur, einer neuen ^nnst
faseln, ,Vl,r ,„ dieseo leniere Präditament fallen,
?a^ ^llie unter innner neuen llmstanden ist der
ewige d>a,,>i d,'r '^^>i, Wer die Geschichte richtig
anwenden will, mnß ans den neuen Umständen alten Vestandteilcn die neue Zufammcnfiigung
nicht übersehen, Nns ist nicht leicht, und ein
Geschichtskcnner ist deshalb noch kein Welt»
Maßgebende in der Geschichte sehr ins Enge gc«
iiihrt uud auf das unter gleichen oder viel»
mehr ähnlichen Umständen Vorkommende cingc»
Welche Geschichte soll also den Maßstab ab»
geben? Da läge als nächste: die Geschichte des
eigenen Volles, die deutsche, Vinr fürchte ich
fehr, daß die deutsche Nation allerdings Nc>
schichte, insofern dadurch ein Zusammenhang der
Ereignisse, eine Entwickelung nntioncller An<
kommt das, was wir jetzt suchen, das Merkmal
der Freiheit, nur in den absurdesten Vci»
zcrrungen darin vor, lim anf die früheste»
eben weil es ein Roman isti daß es aber ein
solcher ist, geht schon darans hervor, das; seine
Vejchreibcr der cimbrisch-tentonischen Kriege, ja
mit denen des Tacit»^ sell'st in seinen übrigen
uns die Teutschen als eine einfach-verständige,
sich selber maßgebende, patriarchalische Nation
denken müßten, kommen sie sonst überall, ja
in dcn Annalen des Tacitus selbst, als ein zügel-
loser, tumultuarischer, fast nur durch Wildheit
tapferer Haufen, als eigentliche Barbaren vor.
T« Hang nach Ungcbnndcnhcit ist allen Wilden
lernen, wo der Begriff von Ordnung fehlt. Von
da abwärts dnrch die Völkerwanderung, das
Auftreten der Longobardcu iu Italien, der
dasfelbe Bild von roher Gewalttat, Grausam-
keit, ja Treulosigkeit uud Verrat, Ja selbst init
der Tatkraft jener Voller ist es übel bestellt, die
den Antrieb dazu aus der Wildheit schöpfen.
Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
- Titel
- Grillparzers sämtliche Werke
- Untertitel
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Band
- II
- Herausgeber
- Rudolf von Gottschall
- Verlag
- Hansa-Verlag
- Ort
- Hamburg
- Datum
- 1906
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.2 x 15.9 cm
- Seiten
- 552
- Schlagwörter
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik