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VI, Biographisches. 49?
versagen, obschon bei meiner edlen Gewohnheit,
alles bis auf den letzten Augenblick zu uer-
schiebcn, mir die Zeit schon kostbar zu werden
anfängt. Ich will nämlich Samstag abreisen,
l ie »Gesundheit nicht znm besten. Das Wetter
streng talt.
Muß Vrant wieder i» eine seiner wohlfeilen
3n'sta>n'atwnen begleiten, wobei sich heute
wenigstens meine angegriffene Verdauung nicht
übel befindet, Abends in der große» Oper einer
unsäglich schlechten Vorstellung, der Belagerung
von Korinth, beigewohnt, Diesmal fehlt sogar
das Orchester,
Darauf ein anfangs niedliches, später absurd-
langweiliges Ballett, i'ile äez I i^riUßL, Die Elsler,
Sehr hübsch, aber immer das nämliche, ^,wav
lim Witternacht nach Hanse gekommen, sinde
ich ein Billett der Gräfin «ielmnnscgge. Be-
Soll sie morgen zwischen ein und drei Uhr be-
suchen. Geht nicht, wegen Bornes Dejeuner,
Dienstag, den 10, Schreibe der Gräfin
eine,, der artigsten Briefe, die feit Erfindung
der Schreiblunst je geschrieben worden sind,
Winde im Laufe des Tages bei ihr vorsprechen.
Nach Autcuil zu Hörne, Er steht schon er-
wartend anf dem Balkon, da ich um eine ganze
Stunde zu fpät gekommen bin. Macht mich mit
würdige Frcintfnrtcrin mit ihrem wackeren
Manne, Sind aus Anhänglichkeit für Borne
daß der Mann hier aushalten kann. Vorne,
herzlich, gutartig. Keine Erwähnung von Politik,
Man hätte selbst bei uns nicht viel damit ris-
kiert, Sumptuuses Frühstück, einem ziemlichen
dessen Eingang Anteuil liegt, Borne bittet,
zu bleiben. Sie aber weiß, daß er gern ein
Viertclstündchen schlaft, uud besteht darauf. Ich
nehme gern an, um die warme Luft zu ge»
nießen, und da ich das historische Wäldchen doch
Wir geheil in dem jnngen Waldanflug
spazieren, Sprechen über Borne, Vr hat die
Frau zn seiner Ansicht über Goethe belehrt.
Ich erkläre mich auf das bestimmteste für die
entgegengesetzte Ansicht, Sie meint, ich möchte
bei unserer Zurückkuuft Borne ein wenig damit
aufziehen. Wenn das Gespräch es fügt, warum
nicht? Ich hatte ihm schon neulich, als er, ob-
schon sehr manierlich, einen Seitenblick auf
unfern großen Dichter tat, warnend mit dem
Finger gedroht. Ohnehin verzeihe ich ihm noch
am ersten feine Ketzereien darin. Er trägt
seinen politischen haß gegen Goethe, den Aristo-
kraten, nur auf Goethe, dc» Dichter, über. Jeder
GiiNpaizciZ lämlliche Werle, I I . Mensch, der lebhaft Partei nimmt, ist ungerecht.
Was soll man aber von dem Meuzel uud derlei
Geschmeiß sagen?
Wir kommen zurück. Das Gespräch lebhaft
geschickt und gebeten, das Gedicht zu besprechen.
Börue scheint damit nicht sehr zufrieden, Ta
ich den Schluß nicht kenne, konnte ich nur über
die erste Hälfte mich lobend, warm aussprccheii.
Was auch an dieser Kälfte, wie bei allem Mensch»
lichen fehlt, war freilich auch mir nicht ent>
gangen. Auch Auersperg hat ihm feinen „Zchntt"
nn'in ganzes Leben zn einer Gewissenssache
machte, auch nicht mit einem Worte Kritiker uud
Journalisten für mich zu stimmen.
Borne fordert mich auf, entweder den Abend
Diner zu fahren, wo eine große Menge Lite»
raten, fremde Polen, Refugies u. dgl, fich Uer»
sammeln und wo ciue Gesundheit au plus ssranä
in die Stadt. Am Tuilerieugarten trennen wir
uns. Er zu seinem radikalen Diner, ich ?>2oe
Venäöm« zur Gräfin Kiclmanscggc. Unter dem
tags bei ihnen essen. Es ist der Tag, wo ich
morgens abreise. Verspreche für Mitlwuch, fie
zu besuchen,
London, 26, Mai, Ich nehme spät wieder
mein Tagebuch zur .Hand, und die Wahrheit zu
sagen, habe ich so ziemlich die Lnst dazu ver-
loren. Wie und warum wird die Folge zeigen.
Die letzten Tage meines Aufenllmlie^ in
Paris waren höchst unruhig. Das Widerliche,
aus einem einmal gewohnten Auseuthalt neuer-
Anstalten selbst besorgen zn müssen, ick), dem
es zn Hause schon unerträglich war, nur einen
im ^rsl'n recht sehr gut verstehe, aus dem Munde
eines Sprechenden gehört, aber nicht dem zehn-
ten Worte nachfolgen, oielweniger, daß ich sie
irgend selbst sprechen könnte. Dazu einige Ne»
sorgnissc über die hohen Preise des Lebens da-
selbst und Zweifel, ob mein Ausgesetztes zn»
reichen wird, Endlich meine schlechte Gesund-
heit, die durch die Seereise, nach frühere»
Proben, nur »och mehr gestört werden mußte.
Doch was war zu tun? Ich hatte mir die Neise
auferlegt, mich an Menschen und äußere Tätig-
keit wieder zu gewöhnen. Je fchwieriger, um
so besser zum Zwecke, Auch begann mir Paris
Brant (für mich wenigstens! langweiliger als
billig. Nie Güte der Familie Neuwall, gerade
durch das allzngroße Maß beinahe druckend,
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Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
- Titel
- Grillparzers sämtliche Werke
- Untertitel
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Band
- II
- Herausgeber
- Rudolf von Gottschall
- Verlag
- Hansa-Verlag
- Ort
- Hamburg
- Datum
- 1906
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.2 x 15.9 cm
- Seiten
- 552
- Schlagwörter
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik