Brauereien und ihre Biere#
Von Professor DDr W. Kuich, TU Wien
Das Bier der ältesten Zeiten war aus gemälzten Zerealien (Hirse, Gerste, Weizen, Hafer) bereitet, oft unter Zusatz von Honig, Wacholder, Pilzen oder Baumrinde, ohne Hopfen. Bier unter dieser weiten Definition war bereits im altmesopotamischen Raum und im Ägypten zur Zeit des Alten Reiches bekannt. In späterer Zeit war Bier das Getränk der unzivilisierten Völker der Thraker, Kelten und besonders der Germanen (Tacitus). Das gehopfte Bier ist wohl eine Erfindung der gallisch – romanischen Klöster und wird in Deutschland erst im Jahr 1070 erwähnt. Erst der Hopfen gibt dem Bier die charakteristische und erfrischende herbe Note und ist zusätzlich keimhemmend. Die Pflege des Brauwesens lag im Mittelalter bei den Klöstern und bei den Städten. Die älteste bekannte Brauordnung stammt aus Augsburg vom Jahr 1155. Der Ruf des bayrischen Biers rührt von einem Verbot des Landtags von 1516 (Reinheitsgebot) her, etwas anderes als Gerste, Hopfen und Wasser zum Brauen zu verwenden. Zu dieser Zeit war Hefe noch nicht als Gärungserreger bekannt.
Die Herstellung des Bieres erfolgt in drei Hauptstufen: Malzbereitung, Gewinnung der Würze und Vergärung der Würze zum Bier. Den Prozess, der Gerste in Malz überführt, nennt man Mälzen. Er umfasst das Putzen und Sortieren der Gerste, das Weichen, Keimen und Darren (Trocknen und Rösten) der gekeimten Gerste. Durch das Mälzen wird die Menge der löslichen Stoffe der Gerste erheblich erhöht. Diese beim Maischen in Lösung gehenden Stoffe nennt man Extrakt, die wässerige Lösung des Extrakts die Würze. Die im Maischverfahren gewonnene Würze muss nun von den Biertrebern getrennt, d. h. geläutert werden und wird dann mit Hopfen verkocht. Danach folgt die Hauptgärung der geläuterten und verkochten Würze, wobei als Gärungserreger die Bierhefe dient. Man unterscheidet Unterhefen und Oberhefen. Erstere arbeiten bei Temperaturen von 5 – 10 Grad und bewirken Untergärung (untergärige Biere, Lagerbiere); letztere arbeiten bei Temperaturen von 15 – 20 Grad und bewirken Obergärung (obergärige Biere, Weiß – und Altbiere). Bei untergärigen Bieren ist die Hauptgärung nach 10 bis 12 Tagen beendet; die Nachgärung vollzieht sich in etwa 4 bis 6 Wochen. Die Temperatur der Lagerkeller soll 0 bis 2 Grad betragen. Die Obergärung spielt sich ebenfalls in einer Haupt – und Nachgärung ab, doch durch die höheren Temperaturen wird der Brauprozess verkürzt; nach 4 bis 6 Tagen ist die Hauptgärung beendet. Die gängigen Biere enthalten 4 bis 6 % Alkohol.
Im Mittelalter wurde Bier mit obergäriger Hefe gebraut, da untergäriges Bier der niedrigen Temperatur wegen nur im Winter hätte gebraut werden können. Damals galt Bier auch als geeignetes Getränk für Kinder, da es einen geringeren Alkoholgehalt als heute hatte und weitgehend keimfrei war, was man vom damaligen Trinkwasser nicht behaupten konnte. Es war ferner eine wichtige Ergänzung der oft knappen Nahrung, da auch Bier aus anderen Zerealien, z.B. Getreide, genießbar war („flüssiges Brot“). Im Jahr 1500 soll in einem bayrischen Kloster zuerst untergäriges Bier gebraut worden sein. Waren die norddeutschen niederländischen Biere in früheren Jahrhunderten sämtlich obergärig, so wurden die bayrischen Biere ab dem 16. Jahrhundert meistens nach dem jetzt vorherrschenden untergärigen Verfahren hergestellt. Um das Jahr 1750 gab es im Kurfürstentum Bayern über 4000 gewerbliche Brauereien. München hatte 67, Augsburg 109.
Anton Dreher, Sohn eines Brauers, kaufte von seiner Mutter 1839 das Klein – Schwechater Brauhaus, die heutige Schwechater Brauerei. Er erkannte, dass für untergärige Biere entsprechende Kühlung und Lagerung entscheidend waren. Daher legte er große Keller, gefüllt mit Natureis an, um sein Bier zu kühlen. Bis 1841 braute Anton Dreher in Schwechat obergäriges Kaiserbier, bis er 1840/41 ein helles untergäriges Lagerbier, das „Klein – Schwechater Lagerbier“, entwickelte, das er zunächst als Märzenbier bezeichnete, weil es vom Herbst bis März gelagert werden konnte. Dieser Biertyp erfreute sich bald größter Beliebtheit in Wien und später auch weltweit. Im Laufe der 1850er Jahre wurde die Brauerei Schwechat zur größten des europäischen Festlandes, und die Exporte des Schwechater Lagerbiers gingen weit über die Grenzen des Kaiserthums Österreich hinaus.
Anton Dreher kaufte kleinere Brauereien auf:
- 1859 die Brauerei Michelob bei Saaz im Königreich Böhmen.
- 1862 die Brauerei Steinbruch. (Steinbruch, ungarisch Köbanyai, ist heute der 10. Bezirk von Budapest.)
- sein Sohn Anton Dreher junior erwarb im Jahr 1869 die Brauerei Triest. (Die Reichsunmittelbare Stadt Triest war damals Teil der Österreichisch – Ungarischen Monarchie.)
Das ungarische Dreher – Bier und das italienische Birra Dreher gibt es noch heute. Anton Dreher war von 1861 bis 1863 auch Landtags – und Reichsratsabgeordneter und einer der größten Steuerzahler der Monarchie. Als weiterer wichtiger Punkt in der Geschichte des untergärigen Bierbrauens gilt die „Erfindung“ der Pilsner Brauart. Sie ging aus der Bayerischen Brauart hervor, die vor allem auf nur leicht gedarrtem Malz und auf der langsamen Gärung durch Lagerung in kalten Höhlen und tiefen Kellern beruhte. Das weiche Pilsener Wasser trug wesentlich zur Beliebtheit dieses Biertyps zu. Original Pilsner Urquell wurde erstmals am 11. November 1842 öffentlich ausgeschenkt und eröffnete so den weltweiten Siegeszug dieser Bierspezialität.
Wurde in den Weingegenden früher wesentlich mehr Wein als Bier getrunken – in Wien trank man 1732 dreimal so viel Wein wie Bier – so änderte sich das bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. In der Zeit des Vormärz wurde Bier ein Modegetränk der Intellektuellen, Beamten, Studenten und Künstler. Bei den Studentenverbindungen (Burschenschaften, Landsmannschaften, Corps) wird die Kneipe eine wesentliche, zentrale Veranstaltung des Verbindungslebens. Auf dieser werden, mit dem Konsum von Bier verbunden, Studentenlieder gesungen und Reden gehalten. Das Verhalten der Teilnehmer an einer Kneipe wurde durch den Biercomment geregelt. Bei der Abfassung der Biercomments ging man davon aus, daß das „commentgemäße Getränk“ Bier gemeinsam getrunken wird. Wenn jemand auf das Wohl eines anderen trinkt, ist darauf zu achten, dass aus Gründen der Höflichkeit dieser Zutrunk auf jeden Fall erwidert werden muss. Aus diesen Grundregeln entwickelten sich schnell eine Reihe von Spielchen, die zum „feucht-fröhlichen Verlauf“ einer Kneipe beitrugen. Jedoch kam es darauf an, die Formen einzuhalten und – besonders unter Alkoholeinfluss – niemals aus der Rolle zu fallen. Die ständige Herausforderung, die eigene Verbindung zu repräsentieren und öfter auch mal unvorbereitet als Gast eine Rede halten zu müssen, förderte die rhetorische Übung und die geistige Regsamkeit der Nachwuchsakademiker. Somit erhielt die Kneipe auch eine Erziehungsfunktion für die Studenten der Verbindung.
Um ein Optimum an Geschmackswirkung zu erzeugen ist die Pflege des Biers von großer Bedeutung. Bei gleicher Qualität ist dem Faßbier vor dem Flaschenbier der Vorzug zu geben. Ein Restaurant, das kein Fassbier anbietet, zeigt damit einen Mangel an Bierkultur an. Zu Hause empfiehlt es sich, auf Flaschenbier auszuweichen, außer man erwartet viele durstige Gäste. Beim Bier ist eine Trinktemperatur von 7 bis 9°C am idealsten. Um solch eine Biertemperatur zu erreichen sollte man sein Bier am besten in einem dunklen Raum oder mindestens eine Nacht über im Eiskasten bei etwa 4 bis 7°C lagern. Das verwendete Bierglas sollte nicht zu groß sein (maximal 0,3 l, ein Wiener Seidel), sollte sich nach oben hin verjüngen und muss frei von Laugenresten sein, ansonsten keine richtige Blume, also Schaumkrone, erzeugbar ist. Vor neuerlichem Gebrauch sollte das Glas wieder gespült werden. Das richtige Einschenken erfolgt in ähnlicher Weise wie das Zapfen eines Glases Pilsner Biers: Man stellt das Glas gerade und gießt das Bier aus einiger Höhe in das Glas; wenn sich der Schaum gesetzt hat, gießt man weiter zu, bis endlich das Glas nach dreimaligem Einschenken mit einer Blume von etwa 3 cm Dicke gefüllt ist. Dieser Vorgang benötigt mehr Zeit als das übliche Einschenken, jedoch hält sich dadurch die Blume länger. Das Bier weist die richtige Temperatur auf, wenn das Bierglas außen beschlagen ist. Wohl bekomm’s.
In Österreich geht die gewerbliche Erzeugung mit der Brauerei Hofstetten in Oberösterreich auf das Jahr 1229 zurück. Weitra im niederösterreichischen Waldviertel wird als älteste Braustadt Österreichs bezeichnet. Diese Bezeichnung gründet auf einem Privileg des Jahres 1321, das das Bierbrauen und den Verkauf auswärtigen Bieres im Umkreis einer Meile (ca. 7,5 km) um die Stadt verbot. Zur Blütezeit, um 1645, gab es in Weitra 33 Bürgerliche Brauhäuser, ein städtisches und ein herrschaftliches Hofbräuhaus. Im Mittelalter entstanden zahlreiche Klosterbrauereien, die erst im 15. und 16. Jahrhundert durch Hausbrauereien zurückgedrängt wurden.
Der größte Konzern österreichischer Brauereien ist die Brau Union Österreich AG mit acht Brauereien (Brauerei Zipf mit Zipfer Urtyp, Gösser Brauerei mit Gösser Gold, Brauerei Puntigam, Brauerei Schwechat mit Schwechater Hopfenperle, Brauerei Wieselburg, Brauerei Schladming, Brauerei Falkenstein, Hofbräu Kaltenhausen), die im Jahre 2003 vom niederländischen Brauereikonzern Heineken übernommen wurde. Die größte Wiener Brauerei ist die Ottakringer Brauerei mit der bekannten Biermarke Goldfassl. Weitere bekannte österreichische Brauereien sind die Brauerei Murau, die Privatbrauerei Zwettl und die Trumer Privatbrauerei: drei Brauereien mit herrlichen Pilsner Bieren. Einige österreichische Brauereien produzieren Biere im Ausland.
Erwähnenswert ist, dass vom Ende der 1990er Jahre bis ins erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts in Königsberg (heute Kaliningrad, Rußland) Gösser Bier in der alten Königsberger Ostmark Brauerei in Lizenz gebraut wurde. Es war das beste Bier am Platz, wurde jedoch, wohl aus Konzernrücksichten, um 2010 durch Heineken Bier ersetzt, welches in der ansässigen Bevölkerung weniger beliebt ist.
Nach der Statistik des Verbandes der Brauereien Österreichs gab es im Jahr 2015 in Österreich 214 Braustätten, inklusive der 114 Gasthaus – und Hausbrauereien. Diese erzeugten im Jahr 2015 mehr als 1.000 verschiedene Biere und hatten einen Inlandsausstoß von rund 8,3 Millionen hl Bier. Rund 0,7 Millionen hl Bier wurden von österreichischen Brauereien im Ausland erzeugt. Im Jahr 2015 wurden in Österreich pro Kopf 104,7 Liter Bier getrunken, was nach der Tschechischen Republik (143 Liter pro Kopf) und der Bundesrepublik Deutschland (106 Liter) international den dritten Platz bedeutet.
Weiterführendes#
- Kleine Zeitung: Volle „Craft“ voraus in der steirischen Bierszene (Essay)
- Bier (Thema)
- Getränke (Thema)
- Brauerei (Thema)
- Bier (ABC zur Volkskunde)
- Bier (AEIOU)
- Historische Bilder zu Bier (IMAGNO)
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