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Funkenflug: Der Glanz von Steyr#

(Heinz und Lisl Mesicek)#

Von Martin Krusche#

Die erste Fahrt im Rahmen unserer neuen Erkundig führte Fotograf Richard Mayr und mich nach Wiener Neustadt. Wir hatten uns mit Heinz und Lisl Mesicek verabredet, die erstens erhebliche Kompetenz bezüglich der alten Marke Steyr haben, zweitens mit Vorkriegsfahrzeugen generell viel anzufangen wissen, drittens im Oldtimer Museum der Familie Fehr gerade ein besonderes Projekt abgeschlossen haben. Die Sonderausstellung „Steyr Automobile aus den Jahren 1922 – 1938“.

Das verbindet mehrere interessante Aspekte. Friedrich Fehr und sein Sohn Ronald haben in Wiener Neustadt vor geraumer Zeit ein völlig heruntergekommenes und verwüstetes Wirtschaftsobjekt übernommen, restauriert, darin ein Automobilmuseum eingerichtet. Der Schwerpunkt ihrer Kollektion liegt auf Youngtimers, mit einem starken Mercedes-Benz-Anteil. Dazwischen allerdings auch ein paar besonderer Raritäten aus verschiedenen Epochen.

Es ist das Werk von Enthusiasten. In diese Halle kommen nur fahrtaugliche Automobile. Die in Arbeit befindlichen Projekte bleiben in der Werkstatt. Fehr und Fehr erledigen die technischen Arbeiten selbst. (Die Halle mit Museum und Restaurant wird freilich von eine Team betreut.)

Etwas Vorgeschichte#

Noch vor wenigen Jahren, naja, vor einigen Jahrzehnten, war der Privatbesitz von Automobilen für die meisten Menschen in Österreich unerschwinglich. Das änderte sich erst in den 1960er Jahren, nachdem in der zweiten Hälfte der 1950er ein Schwung von kompakten und leistbaren Autos auf den Markt gekommen war.
Mit dem Puchschammerl war die PKW-Produktion in Steyr Geschichte, ab da wurden die Kleinen in Graz bebaut.
Mit dem Puchschammerl war die PKW-Produktion in Steyr Geschichte, ab da wurden die Kleinen in Graz bebaut.

Diese Entwicklung ist in unserer Mobilitätsgeschichte eng mit der Historie der Steyr-Daimler-Puch AG verknüpft. Bei der Volksmotorisierung des Landes mit Automobilen waren zwei Modelle besonders markant. Allen voran der Fiat 600, welcher bei uns in Lizenz gebaut wurde; als Steyr-Fiat 600, was auf den Produktionsort hinweist.

In Italien folgte dem Fiat 600 der erfolgreiche Fiat Nuova 500, von dem die SPDAG zwar Karosseriebleche bezog, aber das Pucherl, das Puch-Schammerl, der Steyr-Puch 500 war kein Lizenz-Fiat, sondern eine eigenständige Konstruktion, die sich qualitativ vor allem mit dem hochkarätigen Motor und den guten Bremsen vom Fiat deutlich absetzte.

Der Fünfhunderter und seine Derivate wurde allerdings nicht mehr in Steyr gebaut. Dort endete die PKW-Produktion mit einem ersten Prototypen, dem U1. In Steyr verblieb dann der LKW-Bau. Das Pucherl ist ein Steirer im italienischen Maßanzug, hergestellt im Zweier-Werk in Graz-Thondorf.

Der Rang von Steyr#

Aber! Steyr! Was für eine Geschichte! Und zwar als ein Teil der Werksgeschichte jenes bedeutenden wirtschaftlichen „Erinnerungsortes“ Österreichs, der Steyr-Daimler-Puch AG. Darin stecken über verschiedene Fusions-Schritte hauptsächlich die Marken Steyr, Austro-Daimler und Puch. Andere Marken, die in dieser Konzerngeschichte vorkamen, sind heute nur mehr den Fans bekannt, wurden auch teilweise vergessen. (Oder kennen Sie etwa die Oesterreichische Flugzeugfabrik AG? Was wurde aus Austro-Fiat, Gräf & Stift etc.?)
Das Museum
Das Museum
Steyr 630 Gläser Cabrio
Steyr 630 Gläser Cabrio

Die Kurzfassung: Die Josef und Franz Werndl & Comp., Waffenfabrik und Sägemühle wurde 1869 zur Österreichische Waffenfabriks-Gesellschaft (ÖWG). Eine der großen Waffenschmieden Europas. Ende des 19. Jahrhunderts suchte man allerdings auch zivile Produkte auf den Markt zu bringen, um mehr wirtschaftliche Optionen zu haben.

Das wurde dann etwa eine Lizenzversion des Swift-Rades aus Coventry. Eine bedeutender Erfolg, den viele von uns bis heute als Steyr oder Puch Waffenrad kennen. 1926 wurde die ÖWG zur Steyr-Werke AG. 1934 kam es zur Fusion mit der Austro-Daimler-Puchwerke A.G. (mit Standorten in Wien, Wiener Neustadt und Graz), es entstand die Steyr-Daimler-Puch AG.

Markante Positionen#

Im Jahr 1920 kam der Steyr II auf den Markt, den manche – in Analogie zum Waffenrad – Waffenauto nennen, was auf die Betriebsgeschichte hinweist und nicht heißt, der Wagen sei Teil eines Waffensystems. (Übrigens eine Konstruktion von Hans Ledwinka.)

Dem folgte der Steyr V und der stattliche Steyr VII. Das vermutlich einzige in Österreich verfügbare Exemplar des Typ VII war ein Kernstück der von den Mesiceks kuratierten Ausstellung; hier auf einem eigenen Blatt vorgestellt: „Post von Lisl“.

Dieses Fahrzeug blieb freilich nur für sehr wohlhabenden Menschen erschwinglich. Also mußte das Angebot kompakter werden, um die Merkfähigkeit von Steyr-Automobilen zu erhöhen. Diesen Schritt markiert der Steyr IV, von dem bloß 950 Einheiten gebaut wurden.

Steyr IV
Steyr IV
Steyr IV Motor
Steyr IV Motor

Eine offene Version des Vierers war in Wiener Neustadt zu sehen. Der älteste Wagen aus dem Privatbesitz der Mesiceks und sehr anschaulich im direkten Vergleich zu den großen Steyr-Wagen. Es ist einigermaßen anrührend, vor einem Auto zu stehen, das vor hundert Jahren gebaut wurde und heute noch gefahren werden kann; auch wenn es etwa für den aktuellen Stadtverkehr eher nicht geeignet ist.

Das liegt hauptsächlich an der bloß auf die Hinterräder wirkenden Bremsanlage. Aber auch der Sack-Motor ist dem heutigen Stadtverkehr thermisch nicht gut gewachsen. Dazu das etwas skurrile Glockengetriebe, eindeutig für Fortgeschrittene mit guter Kondition.

Sack-Motor heißt übrigens, daß Motorblock und Zylinderkopf in einem Stück gegossen wurden. Das verlangt beim Zusamnmenbau, die Kolben von unten einzusetzen und dann erst die Kurbelwelle zu montieren, was sehr knifflig ist. Eine seitliche Nockenwelle und stehende Ventile ergänzen die Besonderheiten des Typ IV.

Der historische Akzent#

Heinz und Lisl Mesic ließen sich für einige Fotos zwischen den Vierer und das Steyr Baby zurechtrücken, so daß man die Nasen beider Autos sieht und den Kategoriensprung erahnt. Der Steyr 50, eine Konstruktion von Karl Jenschke, ist hier nicht nur der letzte Steyr Vierzylinder neben dem ersten Steyr Vierzylinder. Er ist im Design der erste richtige Streamliner aus Österreich und vor allem der eigentliche „Volkswagen“, wie auch davor schon der Steyr IV ein markanter Schritt Richtung Volkswagen gewesen ist.
Steyr 50
Steyr 50
Steyr 50 Motor
Steyr 50 Motor

Den Begriff Volkswagen hatte ja nicht Ferdinande Porsche erdacht. Er geisterte schon viele Jahre durch einschlägige Publikationen und betraf die Idee, ein Auto auf den Markt zu bringen, das für breitere Kreise leistbar sei. Genau das war ein wichtiger Impuls für den Steyr IV und gleichermaßen für den Steyr 50.

Der übrigens, also das Steyr Baby, beeindruckt noch heute mit seinem erheblichen Raumangebot auf dem überschaubaren Radstand von 2.250 mm. (Beim VW Typ 1 „Käfer“ beginnt es mit 2.400 mm und man hat es in der zweiten Reihe nicht besonders bequem.) Gastgeber Ronald Fehr erzählt, er habe bei dieser Ausstellung etliche Male erlebt, daß Menschen bezüglich Steyr Baby meinten: „Wenn es den genau so, wie er da steh, mit moderner Technik gäbe, würde ich ihn mir kaufen.“ (Fortsetzung folgt!)




Teamwork in Sachen Steyr: Heinz und Lisl Mesicek
Teamwork in Sachen Steyr: Heinz und Lisl Mesicek

Postskriptum#

Kurz vor dieser Reise war ich mit Richard Mayr über das Burgenland nach Ungarn und Slowenien gefahren, um einige markante Orte zu erkunden. Dabei hab ich eine kleine Tournee durch mehrere Epochen unserer Mobilitätsgeschicht absolviert. Siehe:

Zum oben erwähnten Klassiker, welcher nach dem Zweiten Weltkrieg zum eigentlichen Volkswagen Europas wurde, dem Fiat 600, finden Sie hier ein kleine Feature. Dm folgte der Steyr-Puch 500, mit dem die PKW-Produktion dann schon in Graz lief und in Steyr nur noch Lastwagen gebaut wurden: