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Richard Mayr (links) und Hermann Maurer
Richard Mayr (links) und Hermann Maurer

Komplexität und Praxis#

(Status quo April 2022)#

von Martin Krusche

Intrada: Ich werde hier unseren Stand der Dinge in regionaler Wissens- und Kulturarbeit skizzieren; vor dem Hintergrund einer kulturpolitischen Erörterung, die sich in der Region entfaltet. Unser Status? Wir? Eine offene Formation, verbunden durch aktive Anwesenheit und adäquates Kommunikationsverhalten.

Wir brauchen nichts zu gründen. Was immer man gründen könnte, wurde längst gegründet. Dazu kommt der gerne ignorierte Umstand, daß Vernetzung kein Inhalt ist, sondern eine Verfahrensweise. Ich habe solche Überlegungen schon vor Jahren bei Kunst Ost angestellt und dann bestaunen dürfen, wie stark in unserem Milieu der Zug zum Zentralisieren ist. Das entfällt in dieser unserer Arbeitsanordnung.

Bild 'alatna'

Der alte Modus trägt eine Art Hierarchie-Automatik in sich. Wo zentralisiert wird, will jemand der Boss aller Beteiligten sein. Das wäre dann der Modus des 18. Jahrhunderts, als Österreich begann, auf neue Art ein leistungsfähiger Zentralstaat zu werden; nachdem die Früchte der Renaissance ausgewertet und politisch umgesetzt waren. Die damals entwickelte Verwertungslogik hat den Untergang der ständischen Gesellschaft überstanden und lebt aktuell fort. Wir befinden uns aber im 21. Jahrhundert.

Kleiner Einschub#

Hier kurz ein prägnantes Stück Hintergrundfolie für unser jetziges Tun, denn wir sind Akteurinnen und Akteure in einem außergewöhnliche Zeitfenster. Im Jahr 1722 befahl Kaiser Karl VI, Vater von Maria Theresia, den Bau von fünf Straßen, die Wien (als Zentrum des Imperiums) mit verschiedenen Teilen des Reiches verbanden. Eine dieser „Kaiserstraßen“, die zwischen Wien und dem Hafen von Triest eingerichtet wurde, ist heute in Graz noch durch die Bezeichnungen „Alte Poststraße“ und „Triesterstraße“ erinnerlich. Sie kreuzt unter anderem die Strata hungarica, also die alte Ungarnstraße von Graz ins Ungarische, an der Gleisdorf liegt.
Luis Siegl (links) und Richard Mayr
Luis Siegl (links) und Richard Mayr

Diese ehemalige Reichsstraße, deren Rest in Graz als „Gleisdorfer Straße“ vermerkt ist, setzt sich unter anderem in der Gleisdorfer Fürstenfelderstraße fort; die Landesstraße B65. (In der Geschichtsbetrachtung unseres Arbeitsfeldes werde ich hier noch vom Gleisdorfer Postamt, von Postkutschen und von der „Gran Tour“ junger Aristokraten zu reden haben.) Das alles ist auch die Zeit, in der wir (zirka ab Mitte des 17. Jahrhunderts) von Aufklärung sprechen.

Eine nächste Kulturpolitik#

Die Klärung, was denn das sein könnte, eine nächste Kulturpolitik, muß aus der Praxis heraus kommen, muß von einer tauglichen Prüfung des Status quo ausgehen. Das ist hier, abseits des Landeszentrums, keine rein akademische Aufgabe, die von externen Kräften auf der Metaebene erledigt werden könnte. So eine Reflexionsarbeit kommt in meinem wie in unserem Fall aus dem aktuellen Tun heraus. (Wir halten Aktion und Reflexion beieinander.)

Zum Hintergrund, ich habe im Prisma-Bereich „Feuilleton“ (bezüglich der Vorgeschichte) etliche „Fragen zur Szene“ und „Die Solidaritätsfrage“ behandelt, dabei skizzenhaft überschaubar gemacht, aus welcher Entwicklung heraus sich der heutige Zustand (ab den 1970ern) manifestiert hat: Die Übersicht.

Aktuell: Diversität#

Ich hänge an den Möglichkeiten einer kollektiven Wissens- und Kulturarbeit. Man kann immer innerhalb bloß einer Formation sehr unterschiedliche Kompetenzen bündeln. Sowas soll sich dann aufsplittern. Ich bevorzuge es, daß sich komplexere Vorhaben ausdifferenzieren, wonach sich - anlaßbezogen -völlig eigenständige Teams formieren, die voneinander wissen und für konkrete Vorhaben im Plenum kooperieren können, aber nicht müssen.

Ich bin überzeugt, das ist ein zukunftsträchtiger soziokultureller Modus, der sich vor allem inhaltlich gegenüber den alten Pyramiden und Hierarchien bewähren wird. Komplementäre Anordnungen! Autonomie! Das bedeutet: mit selbstgewählten Regeln arbeiten. Davon ausgehend läßt sich a) ein stabiles kulturelles Klima herstellen, das sich b) in konkreten Punkten auf leistungsfähige Kooperationen stützen kann.

Peter Moser (links) und Richard Mayr
Peter Moser (links) und Richard Mayr

Wozu das alles?#

Wenn ich von den individuellen Motiven aller Beteiligten absehe, die in einiger Vielfalt gegeben sind, zeigt sich ein spezieller Angelpunkt: die Arbeit an der Zukunftsfähigkeit des jeweiligen Gemeinwesens. Eine Qualität, die sich aus dem geistigen Leben der Kommunen ergibt. Und das nun in Jahren, die einen so umfassenden wie tiefgreifenden Umbruch aller gesellschaftlicher Bereiche deutlich werden ließ. Ich sehe a) Corona und b) den Krieg in der Ukraine dabei vor allem als jüngere Kontrastmittel, die uns eine bessere Sicht ermöglichen. Aber der Umbruch hat weit früher eingesetzt. (Er läßt sich speziell über die Markierungen 2010-2015-2020 verdeutlichen.)
Isolde Seirer-Melinz
Isolde Seirer-Melinz

Das aktuelle Setting#

Wir haben ein wesentliches Scharnier für ganz verschiedene Vorhaben in jener neuen Online-Technologie gefunden, die Wissenschafter Hermann Maurer mit seinem Team entwickelt hat: NID (NetInteractive Documents). Daran machen sich gerade ein paar eigenständige Vorhaben fest. (Unser Buch „Wegmarken“ wurde schon in dieser Technik umgesetzt.)

Das heißt, es haben sich inzwischen mehrere Kleingruppen gebildet, die sich inhaltlich verdichten, dabei NID als a) Publikationsform und b) Arbeitsplattform (Teleworking, Telepräsenz) nutzen. Was sich dann zwischen diesen autonomen Formationen an Schnittpunkten ergibt, wird sich weisen. (Dazu gibt es keinerlei „zentrale Verordnung“.)

Eine erste Übersicht#

  • Das Duo: Ich hab in Fotograf Richard Mayr einen bewährten Kooperationspartner gefunden. Wir arbeiten bereits an ein paar nächsten Vorhaben. Dazu gehört eine eigene kleine Online-Edition, die wir nach jenem Roman benannt haben, der wie einem großen Fluß heißt und für Mayr vor Jahrzehnten die markante Anregung wurde, sehr abenteuerliche Wege zu gehen: Alatna. Die Edition. Was es damit auf sich hat, werde ich hier noch erzählen. Wir arbeiten grade an einer ersten Online-Publikation. (Technisch sind wir gerüstet, daraus auch jederzeit greifbare Druckwerke abzuleiten.)
    • Eines unserer Teilprojekte: Funkenflug (Eine Erkundung von Martin Krusche und Richard Mayr) Dazu gibt es ab Mai 2020 konkretere Details.
  • Die Randlage: Mit Luis Siegl aus Jennersdorf haben Mayr und ich derzeit einen Auftakt zum Thema „Die Randlage, ein Angelpunkt“ in Arbeit. Da ist einiges im Dreiländereck ähnlich gelagert, wie in der Oststeiermark. Das macht einen strukturierten Austausch interessant, der weiters Ungarn und Slowenien einschließt. Zitat: „Es gibt kein Zentrum ohne Peripherie. Zentren entstehen, indem sie ihre Peripherie zur Provinz machen. Dabei sind den Grenzen besondere Bedeutungen zugeschrieben. (Grenzräume sind – nebenbei bemerkt – gemäß dieser Denkschemata die „Extremprovinz“.) Sie waren eben noch ganz anders konstituiert, als wir das heute kennen.“
  • Kunstgeschichte: Kunsthistorikerin Monika Lafer ist derzeit mit ihrer Doktormutter Margit Stadlober und Kollegin Nicole Kaddura auf dem Weg zu einer Verständigung mit Wissenschafter Hermann Maurer bezüglich der NID-Optionen. Deren vorrangige Themenstellung wird dann zu erfahren sein. Daraus werden mögliche Schnittstellen zu unseren Vorhaben ersichtlich werden.
  • Regionales I, Lokales: Peter Moser, Vizebürgermeister von Ludersdorf, war bei der Arbeit am Buch „Wegmarken“ unser Projektleiter. Wir loten derzeit aus, auf welche sinnvollen Arten sich das bisher erworbene Know how in der Sache weiter nutzen ließe, zumal das Thema Klein- und Flurdenkmäler eine erhebliche Tiefe hat. Da sind wir in einer frühen Phase von einer Projektanbahnung, die vor allem auch den interessierten Menschen in der Region gewidmet sein soll, von deren Interesse wir bisher erfahren haben.
  • Regionales II, die Region: Peter Moser und LEADER-Managerin Iris Absenger-Helmli hatten bereits ein Arbeitsgespräch mit Wissenschafter Hermann Maurer, um regionale Optionen zu erörtern. Wenn nun einige Leute auf lokaler Ebene NID als Arbeitsplattform nutzen und solche eigenständigen Formationen auch an anderen Orten wirksam werden, ist es interessant zu prüfen, was dazu auf regionaler Ebene an Vernetzung klug wäre.
  • Steirische Ebene: Dann wäre da noch die überregionale, also konkret: steirische Ebene. Das kann kein Thema für eine kleine, regionale Kulturinitiative sein. Das wird wohl auch keine einzelne Kommune anpacken. In diesem größeren Zusammenhang prüft derzeit Isolde Seirer-Melinz (Leiterin Steirisches Volksbildungswerk), ob darin eine sinnvolle Aufgabe für ihre Haus bestünde.
  • Die Jungen nicht zu vergessen, die sich eben eigenständig formieren. Das meint zwei Kunstschaffende, Carolina Sales Teixeira und Mathias Petermann, welche sich gerade ihr gemeinsames Thema erschließen, um sich damit Richtung Umsetzung bewegen. Dabei wird sie Kunsthistorikerin Monika Lafer auf der Metaebene begleiten. Siehe dazu: „Running Code“ (Work in Progress)!
  • Das Weizer Panel: Vor diesem Hintergrund sind Monika Lafer, Peter Moser und ich auch Teil jenes kulturpolitischen Prozesses, den Landeskulturreferent Christopher Drexler initiiert hat, um Weichenstellungen für das restliche Jahrzehnt zu erarbeiten. Dieses Panel wird von Leader-Managerin Iris Absenger-Helmli und Gleisdorfs Kulturreferent Karl Bauer moderiert. Dazu gibt es meine inhaltlichen Optionen hier: (Link)

Grundlagenarbeit#

Ich sehe heute klarer denn je, daß wir beachten müssen, was an unserem Tun a) Grundlagenarbeit ist und was b) zum angewandten Bereich gehört, weil das meist ganz unterschiedliche Kompetenzen und Zielsetzungen verlangt, aber miteinander in einer Wechselbeziehung steht. Was meinen Part angeht, habe ich speziell die Zusammenhänge zwischen Volkskultur, Popkultur und Gegenwartskunst im Auge, dazu aktuelle Fragen bezüglich der Wissens- und Kulturarbeit.
  • Hintergrund I: Ich bin im Dialog mit Informatiker Hermann Maurer Teil des Diskursfeldes, das Maurer als Diskussionsforum aufgemacht hat. Mein Thema: „Prometheus“ (Technik: Segen und/oder Fluch?)
  • Hintergrund II: Bezüglich der Volkskultur habe ich zwei Teilbereiche in Arbeit, die schon erwähnten Klein- und Flurdenkmäler, ferner die Volkskultur in der technischen Welt, wie sie Ethnologe Hermann Bausinger definiert hat. Siehe dazu meine Notiz zu meinen zwei verfügbaren Publikationen: (Link)
  • Hintergrund III: Einen Teil relevanter Grundsatzarbeit habe ich in einer Kooperation mit Monika Lafer verankert. Da ist zugleich ein konkreter Ort der Kunst im Zentrum von Gleisdorf, den uns Unternehmerin Barbara Lukas zur Verfügung gestellt hat: „Zeit.Raum“ (Dialogisch. Struktur und Erzählung. Ein Ensemble.)
  • Hintergrund IV: Die Repolitisierung. Was bisher eher informell besteht und sich erst konkreter entfalten mag, habe ich mit dem Gleisdorfer Bürgermeister Christoph Stark und dem Kulturreferenten Karl Bauer im Ansatz skizziert. Mit Repolitisierung meine ich eine neue Verständigung bezüglich Rollenverteilungen und der Übernahme von Verantwortung in einem Gemeinwesen. Damit meine ich ganz speziell, daß Politik und Verwaltung nicht unsere „Supermärkte“ sind, in denen wir Wohltaten bestellen, sondern verschiedene Sphären mit verschiedenen Aufgaben, in denen wir alle gemeinsam Verantwortung für das Gemeinwesen übernehmen. Siehe dazu: „Das Politische“!

Fazit#

Das bedeutet insgesamt, wir befinden uns alle in einem gemeinsamen Möglichkeits- und Kommunikationsraum. Wenn uns der Lauf der Dinge nicht zufriedenstellt, bleibt zu klären, wer nun was beitragen kann und soll, um die Situation zu verbessern.

Postskriptum#

Dieser Text ordnet, was sich jüngst abgezeichnet hat; wie hier zusammengefaßt: