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Kurt Bauknecht#

Drei Jahrzehnte Informatik an der Universität Zürich#

Von

Dipl.-Ing. Dr. Helmut Malleck


Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von OCG Journal

Kurt Bauknecht

© OCG Journal


Herr Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Kurt Bauknecht ist einer der Begründer der Informatik in der Schweiz und hat als zentrale Persönlichkeit der Schweizer Informatik diese Wissenschaftsdisziplin als Wissenschafter, Manager, Innovator und Mentor nachhaltig geprägt.


Während dreier Jahrzehnte leitete Kurt Bauknecht mit viel Engagement das Institut für Informatik, das IfI, an der Wirtschaftswissenschaftlichen und der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich. Von kleinsten Anfängen führte er das IfI zu seiner heutigen Größe und Bedeutung. Informations- und Kommunikationsmanagement sind die Lehr- und Forschungsgebiete von Kurt Bauknecht. Dazu kommen die interdisziplinären Ausrichtungen des IfI, etwa für Computerlinguistik zur Philosophischen Fakultät oder – während fast 20 Jahren – durch gemeinsame Lehrveranstaltungen mit der Juristischen Fakultät und der ETH Zürich. Das IfI arbeitet mit den ETHs in Zürich und Lausanne sowie mit den Universitäten in Bern, Genf und St. Gallen, ferner mit Universitäten in Europa, Japan und USA zusammen. Als Präsident der Informatikkommission der Universität Zürich hat Kurt Bauknecht seinerzeit dazu auch eine grenzüberschreitende Vereinbarung zwischen IfI und der Fakultät für Mathematik und Informatik der Universität Konstanz vorbereitet, die eine Intensivierung der Zusammenarbeit in Forschung und Lehre durch gemeinsame Studienangebote beinhaltete.

Seit 1970 ist Kurt Bauknecht Professor für Informatik. Von 1995 bis 2000 war Kurt Bauknecht Präsident der International Federation for Information Processing (IFIP) des Weltverbandes für Informationstechnik[1]. 2003 emeritierte Kurt Bauknecht, seine Nachfolge in der Institutsleitung trat Univ.-Prof. Dr. Klaus Dittrich an. Kurt Bauknecht ist Honorarprofessor an der Universität Wien, ständiger Lehrbeauftragter an der Universität St. Gallen und Ehrendoktor der Johannes Kepler Universität Linz seit 2000. Nach wie vor leitet Kurt Bauknecht Forschungsgruppen an der Universität in Zürich, wo er auch zum Kommissionsmitglied der Senioren-Universität bestellt ist. Kurt Bauknecht ist Mitglied zahlreicher Fachgruppen und Forschungsverbände.


Das OCG-Journal hatte Gelegenheit, mit Herrn Professor Dr. Bauknecht über seine Arbeiten und weiteren Ziele zu sprechen.

"OCG-Journal": Ihre 1967 an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich den Professoren Dr. Walter Daenzer und Dr. Hans Künzi vorgelegte Dissertation „Untersuchung des Verkehrsverhaltens von Straßenbahnen durch Simulation auf einem Rechenautomaten" zeigt großen Pioniergeist. Simulationstechnik sowie Modelle für die Praxis blieben einer Ihrer Forschungsschwerpunkte. Was hat Sie an diesem Thema so nachhaltig fasziniert?


Univ.-Prof. Dr. Bauknecht: Immer, wenn man sich mit einer Thematik aus tiefem Interesse rückhaltlos auseinandersetzt, steigert sich die Faszination dafür. Ich würde mich sehr freuen, wenn man das in meinem 1976 bei Springer Berlin erschienen Buch „Simulationstechnik: Entwurf und Simulation von Systemen auf digitalen Rechenautomaten“ auch spüren könnte.


"OCG-Journal": Den Wandel, aber auch die Problematik der EDV an Hochschulenund Universitäten kann man aus so mancher Ihrer Arbeiten – thematisch geordnet und zeitlich gestaffelt – ablesen. Trugen Sie damit nicht Ihren Leidensdruck einer wenig verständnisvollen Öffentlichkeit vor? Was haben Sie damit erreicht?


Univ.-Prof. Dr. Bauknecht: Zum einen wollte ich mir meine Sorgen von der Seele schreiben und auf diese Weise selbst Lösungen näher kommen. Andererseits, und das war mir mindestens ebenso wichtig, wollte ich mit Paradigmen aufräumen. Informatik ist Innovationsmotor, der an Hochschulen und Universitäten seine Leistungsfähigkeit entwickeln muss. Heute sind in der Industrie die Auswirkungen neuer Informations- und Kommunikationstechnologien auf Produkt- und Prozessinnovation unbestritten. Das war nicht immer so.


"OCG-Journal: Zu Computer und Recht haben Sie doch auch Ihre Stimme erhoben?


Univ.-Prof. Dr. Bauknecht: Ja, und das sogar in Buchform. Als Mitherausgeber von Band 15 der Schriftenreihe "Computer und Recht" und dann noch 1984 mit einem Beitrag zur Tagung "Rechtsinformatik, Bedürfnisse und Möglichkeiten".


"OCG-Journal:" Mit Stephanie Teufel, geb. Schmidt – ehemals Assistentin am IfI, wo sie 1991 promovierte und 1998 habilitierte, seit 2000 Inhaberin des Ordinariats für Telekommunikationsmanagement an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Fribourg und Direktorin des institute of management in telecommunications – hatten Sie über mehrere Jahrzehnte viele Forschungsaktivitäten zu Dokumentenverwaltung und Security. Ein krönender Abschluss waren wohl die von Ihnen und Stephanie Teufel gestalteten Fachtagungen "Sicherheit in Informationssystemen" SIS ‚94, SIS ‚96 (gemeinam mit Dimitris Karagiannis), SIS ‚98 (gemeinsam mit Alfred Büllesbach und Hartmut Pohl) sowie SIS 2000; bei der SIS 2002 waren Sie als Diskutant auf dem Podium. Visionen und Ideen zur elektronischen Durchführung unterschiedlichster Geschäfte und Transaktionen – beim Electronic Business – haben den Bogen immer weiter gespannt. Für die Verbreitung und insbesondere die Nutzung von Internet- basierten Geschäftsarten war Security oftmals ein Hemmschuh. Wie sehen Sie das Thema Sicherheit heute?


Univ.-Prof. Dr. Bauknecht: Sicherheit dient nicht nur dazu, Ausfälle und deren Folgen zu verhindern, sondern stellt sich als Business Enabler dar, wodurch viele Geschäftsideen und Transaktionen erst möglich werden. Die Sicherheit von Informationssystemen ist damit eine wichtige Basis der Geschäftstätigkeit. Dabei gilt, dass funktionsfähige und vertrauenswürdige Sicherheitsinfrastrukturen die Voraussetzung einerseits für diese Sicherheit, andererseits aber auch für das Vertrauen der Kunden und Benutzer sind. Neue Organisationsformen und ihre Auswirkungen auf die Sicherheit von Unternehmen, Mobile Devices, VirtualPrivate Networks, sicherer Internethandel, Vertrauensbildung, Zugriffskontrolle, sichere Kopplung von Systemen, Public- Key-Infrastrukturen, Sicherheit beim Einsatz von HBCI (Homebanking Computer Interface) und Information Warfare, das sind die heutigen Schwerpunkte für Forschung und Entwicklung. Aber, auf Frau Teufel zurückkommend, der Fächer gemeinsam bearbeiteter Themen ist wesentlich breiter. Ein Beispiel – wahllos herausgegriffen – ist eine Erweiterung zum Workflow-Management um qualitative Aspekte der Unternehmenssteuerung, etwa durch Verknüpfungen der Ursache-/Wirkungsketten im Ablauf der Geschäftsprozesse.


"OCG-Journal": Bei den jährlichen internationalen Konferenzen EC-Web "Electronic Commerce and Web Technologies",an deren Zustandekommen Sie von Anbeginn – also seit 2000 – großen Anteil haben, war Herr O. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. A. Min Tjoa, Leiter des Instituts für Softwaretechnik und Interaktive Systeme 2 an der TU Wien, in Ihrem Organisationskommitte. Für Sie war Dr. Tjoa schon damals altbekannt, haben Sie doch seit 1997 am IfI gemeinsam Doktorandenseminare für Nebenfachinformatiker angekündigt. Darf man fragen, ob Sie mit weiteren österreichischen Forschern in Verbindung stehen?


Univ.-Prof. Dr. Bauknecht: Durchaus. Zuvor aber noch zwei Worte zu meinem Kollegen A Min Tjoa. Während seiner Gastprofessur an der Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne begann unsere engere Zusammenarbeit. Beispielsweise holte ich ihn bei der Wiener Technologieoffensive „IKT Vienna 2003“ zum Themenkreis "Sicherheit in der Informationsverarbeitung" in die Jury. Ein weiterer Namen ist schon gefallen. Univ.-Prof. Dr. Dimitris Karagiannis, Leiter des Instituts für Knowledge Engineering an der Universität Wien; mit ihm gemeinsam betreute ich beispielsweise im Wintersemester 2001/02 an der Universität Wien das Seminar "Business Intelligence". Langjährige Zusammenarbeit verbindet mich mit den Professoren Reinhard Posch und Andreas Maurer, besonders eng und gedeihlich hat sich jedoch die gemeinsame Arbeit mit einem Auslandsösterreicher entwickelt, mit Helmut Schauer, den ich vor vielen Jahren von der TU Wien an das IfI als Professor holte.


"OCG-Journal": Titel und Inhalt Ihrer Vorlesungen nahmen oftmals engen Bezug auf Ihre Forschungsgebiete. Für Studierende wurde Ihr Buch "Grundzüge der Datenverarbeitung: Methoden und Konzepte für die Anwendungen", neu bearbeitete und erweiterte 3. Auflage, Teubner Stuttgart 1985, zum Standardwerk. Wie konnten Sie in der Lehre dem Strukturwandel in der Kommunikationstechnik, hin zu Informationstechnik und Informationsmanagement, entsprechen?


Univ.-Prof. Dr. Bauknecht: Mit dem von 1995 bis 2001 jährlich veranstalteten Seminar "Kommunikationssysteme" habe ich gemeinsam mit Professor Dr. Studer in einem theoretischen Teil an der Universität Zürich und in einem dreitägigen Praktikum im Telecom-Labor der HTW Chur zu Themen wie ADSL, ATM, Network Management, Firewall, Intrusion Detection Systeme, ISDN, Routerkonfiguration und IPv6 den Studierenden die Möglichkeit geboten, hier firm zu werden. Darüber hinaus wurden von mir entsprechende Diplomarbeitsthemen ausgeschrieben. Die von Michael Oehry 1998 eingereichte Diplomarbeit, welche in Theorie und Praxis Möglichkeiten und Grenzen elektronischer Märkte für die "Business-to-Business"- Kommunikation aufzeigte, war ein solcher Brückenschlag.


"OCG-Journal": Informationssystem-(IS-) Qualitätsmanagement soll IS-Prozesse und IS-Produkte anforderungsgerecht gestalten. Solche Aufgabenstellungen zählen doch zu Ihren prominenten Forschungsgebieten?


Univ.-Prof. Dr. Bauknecht: Vor einigen Jahren habe ich vom IfI aus eine schriftliche Umfrage bei den 140 größten schweizerischen Unternehmen durchgeführt, um den Entwicklungsstand des Qualitätsmanagements von Informationssysteme in der Unternehmenspraxis festzustellen. Zeit- und Personalmangel waren die wichtigsten Gründe für mangelnde Qualität der im Unternehmen eingesetzten Informationssysteme. ISQualitätsmanagement erhöhte zwar die Transparenz im Unternehmen deutlich, Defizite könnten durch bessere Integration in die Informatik oder durch verbesserte Unterstützung durch das Controlling behoben werden. Derzeit leite ich das Projekt "Quality control of information systems (QUISC)", welches auf den Erfahrungen aus IfI Projekten zu Informatik-Controlling und Software-Qualitätsmanagement aufbaut. Qualitätscontrolling als Teil des Controllingsystems koordiniert unternehmensweit qualitätsrelevante Prozesse mit dem Ziel, ein anforderungsgerechtes Qualitätsniveau wirtschaftlich sicherzustellen. Qualitätscontrolling von Informationssystemen unterstützt das Informationssystem- Qualitätsmanagement im Erreichen seiner Ziele. Im Rahmen dieses Projektes soll nun ein Rahmenwerk für ein integriertes Qualitätscontrolling von Informationssystemen entstehen.


"OCG-Journal": Noch kurz vom Informations- zum Sicherheitsmanagement.


Univ.-Prof. Dr. Bauknecht: Im Informationsmanagement wird die Informationssicherheit mittels des Sicherheitsmanagements – Verhindern von realen Schäden und den daraus resultierenden wirtschaftlichen Schäden in Unternehmen – auf Basis einer Sicherheitsarchitektur planmäßig hergestellt, überwacht und erhalten. Wie die Erfahrung zeigt, verursacht proaktives IT-Management die wenigsten Kosten und ist am effektivsten, Ziel ist eine Performance-Maximierung.


"OCG-Journal": Wir sprachen über Trends der Wirtschaftsinformatikforschung, über Informationsmanagement in Verbindung mit Unternehmensführung und Wirtschaftsinformatik sowie über Informationssicherheitskultur als soziokulturelle Dimension im Informationssicherheitsmanagement. – Wie sehen Sie nun die Hochschul-Informatik im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft, Industrie und Berufsvorbereitung?


Univ.-Prof. Dr. Bauknecht: Wirtschaftsinformatik definiere ich als eine Schnittmenge aus den Gebieten Informatik und Betriebswirtschaft. Innerhalb der Wirtschaftsinformatik nimmt das Informationsmanagement einen prominenten Platz ein. Das Studium an der Züricher Universität, mit 40 % Informatik, 40 % Betriebswirtschaftslehre und 20 % freien Fachgebieten, liefert eine beachtliche Interdisziplinarität. Angesichts der Halbwertszeit des Wissens sehe ich einen Trend zum kürzeren Studium, aber mit oftmaliger Auffrischung und Ergänzung des Wissens nach Studienabschluss. Informatik bietet aber auch ohne Hochschulstudium gute Berufschancen, weil durch den Strukturwandel zur Wissensgesellschaft der Bedarf stark gestiegen ist. Leider wird der Informatikerberuf in der Öffentlichkeit zu wenig differenziert dargestellt. Informatik ist nicht nur ein Hilfsmittel und Werkzeug sondern eine Disziplin, die zur Beherrschung komplexer Problemstellungen unerlässlich ist. Informatik muss stufengerecht, systematisch gelehrt und gelernt werden. In der Informatikbranche fehlt die Ausbildungstradition, und weltweit vernetztes Danken wird immer wichtiger.


"OCG-Journal": Vielen Dank für das Gespräch.


[1] Ab März 2000 war Kurt Bauknecht Chef des TC 8 "Information Systems".

Pioniere der Informatik, OCG-Journal, Ausgabe 3/2007


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