Page - 80 - in Digitale Datenbanken - Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
Image of the Page - 80 -
Text of the Page - 80 -
Digitale
Datenbanken80
Weise auf Kunst und Religion als Kontrastfolie anspielt, ohne genau zu erlÀutern,
wie das OberflÀche/Tiefe-VerhÀltnis seines Erachtens in diesen Bereichen be-
stimmt wurde. Diffizil ist dies nicht zuletzt deshalb, weil die OberflÀchen- und
Tiefen metaphorik eine lange Geschichte hat, die erstens ĂŒber die von Luhmann
erwÀhnten Traditionen hinausweist und in deren Verlauf zweitens das VerhÀltnis
dieser beiden Ebenen zueinander immer wieder neu bestimmt wurde.14 Infolge des
platonischen Idealismus lieĂen sich Philosophie und Wissenschaften Thomas Rolfs
metapherngeschichtlicher Analyse zufolge »bald zu einem Enthusiasmus der Tiefe,
bald dagegen zu einem âșLob der OberflĂ€chlichkeitâč hinreiĂen« (Rolf 2007: 460).15 Die
relationale Bestimmung der OberflÀchen- und Tiefenmetaphorik basiert dabei auf
einer »Wertpolarisierung« (Rolf 2007: 461), die entweder als Tiefen- oder als Ober-
flÀchenorientierung zum Ausdruck kommt.
Daher erweist sich der Verweis auf Kunst und Religion als relativ wenig aussage-
krÀftig, um das VerhÀltnis von OberflÀche und Tiefe im Computer prÀzisieren. Den
einzigen vagen AnknĂŒpfungspunkt bietet folgende kurze ErlĂ€uterung Luhmanns:
»Es geht nicht mehr um die Lineaturen, die eine Weissagung ermöglichen, und
nicht mehr um Ornamente, die Bedeutungen unterstreichen« (Luhmann 1998: 304).
Diesem erklÀrenden Hinweis zufolge ging es in Religion und Kunst gewöhnlich
darum, Einsicht in eine hinter den wahrnehmbaren Erscheinungen liegende Wahr-
heit (eine tiefere Bedeutung, den Willen Gottes, kommende Ereignisse etc.) zu er-
langen (siehe auch Baecker 2001: 599). Ausgehend von der OberflÀche sucht man
in der Kunstbetrachtung und der religiösen Weissagung nach einer bedeutsamen
Tiefe. Die Erscheinungen an der OberflÀche dienen als Anzeichen, die in eine be-
stimmte Tiefe weisen.16 Es ist in diesem Zusammenhang unerheblich, ob Luhmanns
14 | Weiterer Gebrauchskontext der OberflÀchen und Tiefenmetaphorik ist die Phi-
losophie: »Die Metapher der Tiefe ist seit den AnfÀngen im Diskurs der Philosophie
verankert â so fest, daĂ man beinahe von einer Wahlverwandtschaft zwischen philo-
sophischer Reflexion und geistigem Tiefgang [...] sprechen kann« (Rolf 2007: 458).
15 | Platon war nach Ansicht von Rolf der Erste, der sich umfassend der OberflÀchen-
und Tiefenmetaphorik bediente, um zwei WissensdomÀnen voneinander zu un ter-
scheiden: »Einerseits die auf empirischer Erkenntnis basierende sinnliche GewiĂ-
heit, andererseits die theoretisch-geistige Schau der Ideen. GemÀà der platonischen
Orthodoxie verbleibt das Wissen an der OberflÀche, wenn es sich an die Welt der
Sicht barkeiten hĂ€lt und den Schwankungen und Wandlungen der genuin flĂŒchtigen
Erscheinungen folgt [...]. In die Tiefe dagegen verlÀuft der Erkenntnisweg, sofern
er die intelligiblen Formen des Seienden vor dem geistigen Auge versammelt und
syste ma tisiert« (Rolf 2007: 459).
16 | Dass die RĂŒckfĂŒhrung des an der OberflĂ€che Sichtbaren auf die in der Tiefe
liegende Wahrheit letztlich immer eine LektĂŒre impliziert, die insbesondere in der
Religion nur durch Kompetenzzuschreibungen legitimiert wurde, spielt bei Luhmann
keine Rolle. Deshalb wird dieser Aspekt im Folgenden auch vernachlÀssigt. Deutlich
wird hieran aber die interpretative Offenheit des gewÀhlten Beispiels. Wer dies in
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Ăber Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen OberflÀche und Tiefe 73
- PhÀnomeno-Technische Konfigurationen 75
- SpielrÀume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: BegriffsklÀrung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen fĂŒr DatenunabhĂ€ngigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242