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33Das
Erfolgsmodell schweizerische Alpen |
penüberquerung, vielmehr in Verbindung mit furchteinflößenden Legenden und
dem gelegentlichen Drachen als tatsächlichen historischen Geschehnissen wahrge-
nommen. Eine Einschätzung, die jedoch nicht unbedingt von der alpinen Bevölke-
rung selbst geteilt wurde. Die alpinen Reisenden hatten zudem auch keine Vorstel-
lung von der exakten Höhe der Berge und Berggipfel. Auf den Karten fanden sich
keine Verweise und so erschienen die am nahegelegensten Berge zugleich auch als
die höchsten. Auch dies änderte sich schließlich während der zweiten Hälfte des
18.
Jahrhunderts mithilfe von trigonometrischen und atmosphärischen Methoden.42
Marc Boyer bezeichnet unter anderem diesen Wandel hin zu zielgerichteten
Alpen- und Gletscherreisen als Révolution touristique, die das Werk der krisen-
behafteten englischen aristokratischen Elite im 18. Jahrhundert gewesen sei.43
Trotz Hallers und Rousseaus Idealisierung der Alpenbewohnerinnen und Al-
penbewohnern waren unter den alpinen Reisenden noch bis Anfang des 19.
Jahr-
hunderts negative Vorurteile verbreitet. So galten die Einwohner der Berge als
oftmals unter Kröpfen leidende »crétins des Alpes«.44
Ab 1815 kehrten die englischen Touristen wieder auf den Kontinent zurück.
Zwischen 1815 und 1850 fühlte sich so mancher gut situierte Engländer dazu
verpflichtet, eine Reise auf dem europäischen Festland zu unternehmen, wobei es
sich nun im Gegensatz zur vorherigen Grand Tour nicht mehr nur um Jugend-
liche handelte.
Der Besuch der Gletscher wurde nun Teil der Winter- und Badekuraufent-
halte, welche die Reisenden in den Süden Frankreichs führten.45 Chamonix und
Grindelwald waren die zwei einzigen für ihre Gletscher bekannten Bergdörfer in
Europa und die einzigen, welche auf solcher Höhe über Herbergen verfügten.46
Zu dem touristischen Erlebnis gehörte nun als Selbstverständlichkeit auch der
Kauf entsprechender Reiseführer. Diese waren für die Schweiz, welche, mehr
als ein halbes Jahrhundert nach dem Tod Rousseaus, das größte Interesse der
Touristinnen und Touristen der Romantik auf sich zog, von großer Bedeutung.
Die Zahl der Fremdenführer vermehrte sich vor allem ab den 1840er Jahren
42 Boyer, Marc, Histoire générale du tourisme du XVIe au XXIe siècle, S. 119 f.
43 Ebd., S. 179. Im 18. Jahrhundert lag die politische Macht zwar immer noch in den Händen der
Aristokratie, jedoch kamen sogenannte self-made families zu Vermögen und Einfluss, etwa durch die
Gründung von Handelsdynastien. Briggs, Asa ; Kishlansky, Mark A. u.a., »United Kingdom«, S.
35.
44 Diese Vorstellung von »alpinen Idioten/Kretinen« verschwand erst vollends aus der Reiseliteratur,
als die Überquerung der Alpen mittels Eisenbahn möglich und so die Bewohnerinnen und Be-
wohner größtenteils unsichtbar wurden. Ebd., S. 124 f.
45 Boyer, Marc, Histoire générale du tourisme du XVIe au XXIe siècle, S.
181.
46 Ebd., S. 236.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC
Die Macht auf dem Gipfel
Alpentourismus und Monarchie 1760–1910
- Title
- Die Macht auf dem Gipfel
- Subtitle
- Alpentourismus und Monarchie 1760–1910
- Author
- Eva Bachmann
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21122-8
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 294
- Keywords
- Alpen, Tourismus, Berge, Alpinismus, Reisen
- Categories
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Table of contents
- 1. Einführung 7
- 2. Wie die Touristinnen und Touristen zum Berg kamen : Alpine Reisende 26
- 3. British Royalty – das britische Königshaus 51
- 4. Casa Reale d’Italia – das italienische Königshaus 140
- 5. Vergleich 243
- 6. Fazit 258
- 7. Quellen- und Literaturverzeichnis 266
- 8. Abbildungsverzeichnis 285
- 9. Dank 288
- 10. Register 289