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Einsatz von Maultieren, Schlitten, der Eisenbahn und dem Automobil und min-
destens einmal durch den Einsatz einer improvisierten Sänfte. Vittorio Emanu-
ele
III. und Elena nutzten ebenso wie ihre Vorgänger die Eisenbahn zur Anfahrt
und bewegten sich oftmals per Automobil oder zu Fuß in den alpinen Regionen,
seltener ergänzt mit Maultieren oder Pferden. Als Transportmittel über die Seen
wurden zudem Dampfschiffe benutzt.
Gerade bei den schwierigeren Bergtouren lässt sich ein gewisser Stolz der
beteiligten Monarchen, Monarchinnen und Prinzen darüber erkennen, dass
diese zu Fuß bewältigt wurden. So bemerkte Albert, dass er seine alpinen Reisen
als »pedestrian tour«4 verstehe. Die gleiche Erwartungshaltung demonstrierte
er auch gegenüber den Bergtouren seines Sohnes. Die Wanderungen zu Fuß
waren im 19. Jahrhundert Teil der bürgerlichen Emanzipationsbestrebungen.
Übertragen auf die alpine Natur soll diese nicht hoch zu Ross oder in der Kut-
sche, sondern in demokratisierender Manier zu Fuß erfahren werden. Dass diese
Bewegungsform dem Bürgertum zur Abgrenzung von aristokratischen Eliten
und symbolischer Solidarisierung mit dem »einfachen Volk« diente, hatte die
Mitglieder der Königshäuser offenbar nicht davon abgehalten, diese Wertvor-
stellung zu übernehmen.5 Obschon Victoria von allen untersuchten Regenten
wohl am wenigsten zu Fuß unterwegs war, zeigte sie sich besonders stolz, wenn
sie längere Strecken als erwartet
– wenn auch stets angewiesen auf die tatkräftige
Unterstützung ihres Highland Servants – spazierend zurückzulegen vermochte.
Margheritas zahlreiche Wanderungen und Berg- wie auch Gletschertouren setz-
ten eine gewisse physische Stärke voraus. Sowohl Victoria als auch Margherita
konnotierten den Einsatz von Sänften als negativ, obschon sie beide mindestens
einmal auf den Einsatz einer solchen zurückgreifen mussten. Gemäß Victorias
Tagebucheintrag über den Seelisberg-Ausflug gehörte das Reisen in der Sänfte
zwar zur Standardpraxis für Damen, aber auf eine chaise à porteur zurückgreifen
zu müssen, bezeichnete Victoria trotzdem als demütigend. Margherita weigerte
sich sogar, sich auf einer solchen auf den Testa Grigia tragen zu lassen. Hier-
bei lässt sich eine gewisse Diskrepanz zwischen Auf- und Abstieg erkennen, da
Margherita offenbar keine Skrupel hegte, sich nach gelungenen Besteigungen
mit ihren Hofdamen auf einem von männlichen Begleitpersonen gezogenen bzw.
gebremsten Schlitten bergab manövrieren zu lassen.
4 Grey, Charles, The Early Years of His Royal Highness the Prince Consort, S.
133.
5 Kaschuba, Wolfgang, »Die Fußreise
– Von der Arbeitswanderung zur bürgerlichen Bildungsbewe-
gung«, S.
170 f.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC
Die Macht auf dem Gipfel
Alpentourismus und Monarchie 1760–1910
- Title
- Die Macht auf dem Gipfel
- Subtitle
- Alpentourismus und Monarchie 1760–1910
- Author
- Eva Bachmann
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21122-8
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 294
- Keywords
- Alpen, Tourismus, Berge, Alpinismus, Reisen
- Categories
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Table of contents
- 1. Einführung 7
- 2. Wie die Touristinnen und Touristen zum Berg kamen : Alpine Reisende 26
- 3. British Royalty – das britische Königshaus 51
- 4. Casa Reale d’Italia – das italienische Königshaus 140
- 5. Vergleich 243
- 6. Fazit 258
- 7. Quellen- und Literaturverzeichnis 266
- 8. Abbildungsverzeichnis 285
- 9. Dank 288
- 10. Register 289