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Paläografische Analyse xvii
1.6 Paläografische Analyse
Es erscheinen zahlreiche Schreiber in der Handschrift, die entweder jedes Semester wech-
seln oder über einen längeren Zeitraum tätig sind. Aufgrund der Vielzahl von verschiede-
nen Schreiberhänden ist eine Einzelanalyse der Schriften nicht zu bewerkstelligen, viel-
mehr muss der Versuch unternommen werden, anhand von Einzelpersonen exemplarisch
einen Gesamteindruck zu gewinnen.
Durch den Schriftvergleich mit anderen Quellen können mitunter Aussagen darüber
getroffen werden, wer zu welchem Zeitpunkt an der Fakultät geschrieben hat. Am Anfang
des Bandes dürfte wohl ein Schreiber (Kanzleinotar?) oft mehrere Semester tätig gewesen
sein, später wechselt die Handschrift mitunter jedes Semester. Dies geschieht aber nicht
durchgehend, was vermuten lässt, dass zu diesem Zeitpunkt die Dekane zumindest teil-
weise selbst geschrieben haben.
Im ersten Band der Juristenmatrikel (1402 bis 1442) scheint es ähnlich uneinheitlich
gewesen zu sein: Anfangs wechseln dort die Schreiber fast immer semesterweise, doch
dann gibt es auch Phasen, in denen ein Schreiber fast 20 Semester durchgehend auf-
scheint67.
Im Hinblick auf die Eigenhändigkeit in Universitätsquellen meinte Paul Uiblein im
Vorwort zur Edition des ersten Bandes der Acta facultatis artium, dass die Dekane die
Akten eigenhändig führten68. Diesen Befund konnten die Bearbeiter des ersten Juristen-
bandes für ihren Matrikelband jedoch nicht übernehmen69. Nicht zu vergessen ist aber
in diesem Zusammenhang, dass es sich bei den Akten um eine andere Art von Schrift-
gut handelt und der Vergleich mit der Matrikelführung nicht so einfach gezogen werden
kann. Im zweiten Band der Matrikel ist zu beobachten, dass im Fall der Wiederwahl eines
Dekans dieselbe Schrift mitunter, jedoch nicht immer, erneut auftaucht. Wenn ausge-
schlossen wird, dass die Dekane jeweils einen privaten Schreiber hatten, der für sie die
Matrikel führte, liegt damit die Vermutung nahe, dass die Dekane teilweise selbst ge-
schrieben haben. Anhand der folgenden paläografischen Beispiele soll diese Fragestellung
veranschaulicht und der Versuch unternommen werden, Erklärungsvorschläge zu liefern.
Den zweiten Band der Juristenmatrikel hat wohl derselbe Schreiber begonnen, der
auch die letzten Semester in Band I tätig war70. Unter dem Dekanat von Alexius Tumer
de Drosendorff im Sommersemester 146171 ändert sich die Schrift, womit anzunehmen
ist, dass bis dahin wohl ein Kanzleinotar tätig war. Die Schrift, eine Bastarda, weist einen
hohen Stilisierungsgrad auf und entspricht dem Niveau vergleichbarer Amtsbücher des
15. Jahrhunderts. Die Bastarda verbindet ganz allgemein die gotische Textualis mit der
gotischen Kursive und entspricht damit den Bedürfnissen einer gut lesbaren Verwaltungs-
schrift72. Charakteristisch für diese Hand sind die verdickten Schäfte des f und langen s,
die spitz in die Unterlänge gehen. Das a ist einfach (nicht doppelstöckig), b, l, h und d
weisen Schleifen in der Oberlänge auf, das Schluss-s ist rund und brezelförmig. Der Ab-
strich des h und teilweise auch des n (meist als Schluss-n) krallt unter die Zeile, das r ist
67 MFJ I, XIII.
68 Uiblein, AFA I, XVI.
69 MFJ I, XIII.
70 Ab dem Wintersemester 1439/40 (Dekanat Petrus Pachmülner) bis zum Sommersemester 1442 (Conra-
dus de Halstat) dürfte ein einziger Schreiber tätig gewesen sein. MFJ I, XIII.
71 UAW, MFJ II, fol. 15v.
72 Vgl. dazu das Kapitel über die Bastarda bei: Schneider, Paläographie, 66–80.
Die Matrikel der Wiener Rechtswissenschaftlichen Fakultät
Matricula Facultatis Juristarum Studii Wiennensis, Volume II:1442–1557
- Title
- Die Matrikel der Wiener Rechtswissenschaftlichen Fakultät
- Subtitle
- Matricula Facultatis Juristarum Studii Wiennensis
- Volume
- II:1442–1557
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20255-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 326
Table of contents
- 1. Einleitung vii
- 1.1 Forschungsstand viii
- 1.2 Vorhaben und Ziele der Edition x
- 1.3 Die Quelle xi
- 1.4 Der Wert der Quelle – Prosopografische Erkenntnisse xii
- 1.5 Die juridische Fakultät: Studienvoraussetzungen, Studienverlauf und Größe xiv
- 1.6 Paläografische Analyse xvii
- 1.7 „Studium im Ausland“ – Italienaufenthalt und römisch-rechtlicher Einfluss xxi
- 1.8 Statistische Auswertung xxv
- 1.9 Berufliche Wirkungsfelder der Juristen xxxviii
- 1.10 Liste der Dekane xlii
- 1.11 Kurzzitate und Siglen der Quellen und Literatur xlvii
- 1.12 Abkürzungen im Text und in den Registern xlviii
- 1.13 Grundsätze der Edition li
- 1.14 Vorbemerkung zu den Registern lii
- 1.15 Quellen und Literatur liii
- 2. Text der Matrikel 1442–1557 1
- 3. Register 119
- Abstract 259