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xxxiv Einleitung
Die Juristen galten ganz allgemein als vornehmer, und so könnte man annehmen, dass
der Anteil der Adeligen besonders unter den Juristen hoch war. Für die Universität Wien
kann von 1,3 Prozent ausgegangen werden, Heidelberg stand im Reich mit 3,4 Prozent an
der Spitze, vor Köln mit 2,3 Prozent und Erfurt mit 2 Prozent167. Dies entsprach ungefähr
dem Anteil der Adeligen an der Gesamtbevölkerung, der auf 1,5 bis 2 Prozent geschätzt
wird168. Für die Wiener Juristenfakultät wird von 4,3 Prozent (1402–1519)169 bis 8 Pro-
zent170 ausgegangen, jedoch unter Einbeziehung von „Adelsverdächtigen“ (zum Beispiel
jenen, die eine erhöhte Taxe zahlten). Somit kann keineswegs von einer „Adelsfakultät“
gesprochen werden. Zum Vergleich: An der Kölner Juristenfakultät zum Beispiel betrug
der Anteil der Adeligen 7,5 Prozent171.
Insgesamt dauerte ein Studium an einer der höheren Fakultäten länger als an der Artis-
tenfakultät und war folglich kostenintensiver und für mittellose Studenten ungeeignet. Ein
Jusstudium galt Adeligen wohl eher als standesgemäß als ein Studium der artes, oft wurde
jedoch kein Abschluss angestrebt172. Für Adelige war eine Graduierung oft nicht erstrebens-
wert, das Rechtswissen war für den beruflichen Werdegang, gepaart mit der Herkunft, den
Beziehungen und Netzwerken, offensichtlich ausreichend173. Für die Wiener Juristenfakultät
kann im betreffenden Zeitraum von einer zehnprozentigen Graduierungsrate im Adelsstand
ausgegangen werden174, wobei die allgemeine Graduierungsrate an der Wiener Juristenfakul-
tät bei 16,5175 lag, in Köln dagegen bei 27 Prozent176. Attraktiver war, wie bereits beschrie-
ben, – auch für nichtadelige Scholaren – das Jusstudium im Ausland, bevorzugt an einer der
renommierten norditalienischen Universitäten177. Hierbei ist noch zu erwähnen, dass mit
dem beginnenden 16. Jahrhundert eine Änderung im Hinblick auf adelige Juristen einsetzte.
Schon unter Kaiser Friedrich III. machte sich die Tendenz bemerkbar, dass der Einfluss von
gelehrten Juristen im Rat und bei Hofgericht stieg. Zunehmend war es nicht mehr möglich,
allein aufgrund der Standesqualität in den kaiserlichen Dienst zu gelangen178.
1.8.4.2 Klerus und pauperes
Die Zuordnung zum Klerus gestaltet sich etwas einfacher. In vielen Fällen sind die Kleriker
als solche festzumachen, zum Beispiel durch die Bezeichnungen canonicus, frater, plebanus
oder die Angabe anderer kirchlicher Ämter (octonarius, rector). Wie oben schon beschrie-
ben, sind diese Nennungen nachweislich nicht vollständig, vor allem was die Kombination
von Standesbezeichnungen, akademischen Graden und Ordenszugehörigkeit betrifft. Für
die Wiener Juristenfakultät konnten 21 Prozent Kleriker ausgemacht werden179, jedoch
167 Schwinges, Universitätsbesucher, 381.
168 Schwinges, Universitätsbesucher, 381.
169 Immenhauser, Juristen (Liz.), 76 f.
170 MFJ I, XVI f.
171 Schwinges, Universitätsbesucher, 481.
172 Hesse, Acta Promotionum, 242 f.; Schwinges, Universität, 366 f.
173 Immenhauser, Juristen (Liz.), 80.
174 Immenhauser, Juristen (Liz.), 80.
175 Siehe oben.
176 Hesse, Acta Promotionum, 243 f.
177 Lackner, Adel und Studium, 85.
178 Niederstätter, Jahrhundert, 280.
179 351 von 1.666. Von diesen sind über 120 canonici (Mitglieder der Domkapitel etwa 90 und der Rest
Stiftsherren), knapp 100 plebani (Pfarrer), knapp 40 fratres und 25 presbyteri. Der Rest teilt sich auf Äbte,
Pröpste, Kapläne, Kantoren usw. auf.
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Die Matrikel der Wiener Rechtswissenschaftlichen Fakultät
Matricula Facultatis Juristarum Studii Wiennensis, Volume II:1442–1557
- Title
- Die Matrikel der Wiener Rechtswissenschaftlichen Fakultät
- Subtitle
- Matricula Facultatis Juristarum Studii Wiennensis
- Volume
- II:1442–1557
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20255-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 326
Table of contents
- 1. Einleitung vii
- 1.1 Forschungsstand viii
- 1.2 Vorhaben und Ziele der Edition x
- 1.3 Die Quelle xi
- 1.4 Der Wert der Quelle – Prosopografische Erkenntnisse xii
- 1.5 Die juridische Fakultät: Studienvoraussetzungen, Studienverlauf und Größe xiv
- 1.6 Paläografische Analyse xvii
- 1.7 „Studium im Ausland“ – Italienaufenthalt und römisch-rechtlicher Einfluss xxi
- 1.8 Statistische Auswertung xxv
- 1.9 Berufliche Wirkungsfelder der Juristen xxxviii
- 1.10 Liste der Dekane xlii
- 1.11 Kurzzitate und Siglen der Quellen und Literatur xlvii
- 1.12 Abkürzungen im Text und in den Registern xlviii
- 1.13 Grundsätze der Edition li
- 1.14 Vorbemerkung zu den Registern lii
- 1.15 Quellen und Literatur liii
- 2. Text der Matrikel 1442–1557 1
- 3. Register 119
- Abstract 259