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Die Sanoffensive 063
nen. Erst als die Nachricht einlangte, dass die Überschreitung des Flusses misslungen
war, erfolgte der Schießbefehl. Schließlich gelangten Teile der Infanterie bei Rzuchow
über den San, doch wurden sie am jenseitigen Ufer sofort in heftige Kampfhandlungen
verwickelt, die sich auch die nächsten Tage hinzogen. Unter großen Verlusten mussten
die wenigen erfolgreich übergesetzten Einheiten schließlich wieder zurückgenommen
werden, wie Rolf berichtet:
Rzuchow von eigener Infanterie vollkommen geräumt, die noch am östl. Sanufer
befindliche Infanterie wird rücküberschifft, da Brückenschlag in Betracht der starken
Befestigungen am jenseitigen Ufer vorläufig aufgegeben werden muß. Die Feuergefech-
te werden fortgesetzt, bis am 18. Oktober der Befehl erteilt wurde, die Geschütze aus den
Stellungen zu ziehen und in der Abenddämmerung den Rückzug anzutreten.
Ebenso knapp wie lakonisch resümiert Rolf das Ergebnis dieses Angriffsversuchs
mit den Worten: »Der Übergang über den San bei Rzuchow [ war ] aufzugeben«. Rolf
hatte sich bei der Schlacht um Rzuchow mit seiner Division im unmittelbaren Zent-
rum der Kampfhandlungen im Rahmen der Sanoffensive befunden, doch lässt sich
das wahre Ausmaß dieser Kämpfe erst erahnen, wenn man seinem Tagebuch die mili-
tärhistorische Gesamtdarstellung der Kampfhandlungen gegenüberstellt. Im Werk »Ös-
terreich-Ungarns letzter Krieg 1914–1918« wird die verlustreiche Schlacht um Rzuchow
folgendermaßen geschildert: »Als die erste Staffel der Division im Morgengrauen die
Überschiffung begann, legte der Feind ein überwältigendes Artilleriefeuer auf die Über-
gangsstelle. Gleichzeitig fegten die Geschoßgarben der Maschinengewehre über das rei-
ßende Wasser. Zahlreiche Pontons versanken, von den russischen Geschossen getroffen,
mitsamt ihrer Besatzung in den schmutziggelben Fluten des San oder wurden von der
Strömung abgetrieben. Dennoch gelang es vier tapferen Bataillonen [ … ] auf das ande-
re Ufer zu dringen. Hier wurden sie alsbald von dem Kreuzfeuer der Russen überschüt-
tet. Mit heroischer Zähigkeit behaupteten sich diese schwachen Kräfte am Ostufer. Wei-
tere Truppen sollten folgen. Man hoffte, bis zur Nacht die ganze 8. ID auf das jenseitige
Ufer zu bringen. Das starke feindliche Feuer machte aber jede weitere Überschiffung un-
möglich. [ … ] Am 15. Oktober nahm der blutige Kampf um den Besitz der Sanübergän-
ge seinen Fortgang. Von Tagesanbruch an schleuderte die ganze Artillerie der 4. Armee
Lage um Lage gegen die russischen Uferstellungen, um den drei Korps den Weg über
den San zu bahnen. Die 13. SchD [ Schützendivision ] hatte sich wieder an den Fluß her-
angeschoben und trachtete vergeblich, die am jenseitigen Ufer eingenisteten Russen im
Feuerkampfe zu vertreiben. Am Vormittag brachte die 4. ID ihre wenigen Brückenkähne
ins Wasser. Der heftige feindliche Geschoßregen vereitelte alle Übergangsversuche. [
… ]
Rolf Geyling (1884-1952)
Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Rolf Geyling (1884-1952)
- Subtitle
- Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
- Author
- Inge Scheidl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79585-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 292
- Keywords
- Architektur, Historismus, Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Erster Weltkrieg, Ostfront, Kriegsgefangenschaft, Sibirien, China, Tianjin
- Category
- Biographien
Table of contents
- Revolte und Reife 8
- Eine Künstlerfamilie 9
- Zwischen Abenteuer und Architektur 15
- Mädy 35
- Mobilisierung und Krieg 41
- Der Weg an die Ostfront 41
- Die Schlacht von Lemberg 48
- »Durch Landesbewohner verraten« 59
- Die Sanoffensive 62
- Schlacht bei Krakau 65
- Kriegsalltag in der k. u. k. Armee 67
- Die »Angriffshast« der Infanterie 68
- Warten auf Befehle 70
- Bewegungskrieg in Nässe und Schlamm 74
- Schlacht bei Limanowa-Lapanow 78
- Die Schlacht von Tarnow-Gorlice 81
- Kriegsgefangenschaft 91
- Berichte zwischen Verklärung und Traumabewältigung 91
- »Kriegsordnung« und Kriegsgefangenenrealität 94
- Die Jahre in Sibirien 96
- Der Transport in die Lager 96
- Dauria 115
- Architekturentwürfe in der Gefangenschaft 139
- Zwischen den Fronten der »Weißen« und »Roten« Garde 149
- Antipicha – Perwaja-Rjetschka – Wladiwostok 159
- China 173
- Ankunft 173
- Dies ist ja eine Übergangszeit 182
- Aufträge und Rückschläge 189
- Das architektonische Werk 199
- Städtebauliche Planungen 203
- Öffentliche Gebäude und Geschäftsbauten 204
- Villen 214
- Miethäuser 221
- Gesellschaftliches Leben gibt es hier genug 224
- Wir leben recht abgeschlossen für uns 230
- Sehnsucht nach Österreich 238
- Ewige Ungewissheit 247
- Lao Gai Lin 257
- Epilog 265
- Literatur 269
- Bildnachweis 272
- Farbteil 273