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Mobilisierung und Krieg 066
lung zu bringen und die Strasse verstopft« war, konnte der Abmarsch allerdings erst am
Abend erfolgen, und es wurde die ganze Nacht durchmarschiert.
Nördlich von Krakau wurde die Division wiederum angewiesen, gefechtsmäßige Stel-
lungen zu beziehen. Wie Rolfs Tagebuchaufzeichnungen belegen, kam es in diesem Zeit-
raum infolge der schweren Verluste während der vorangegangenen Wochen und der
dadurch bedingten Material- und Personalengpässe immer wieder zu logistischen Pan-
nen und Versorgungsmängeln. Am 16. November schreibt Rolf, dass das vorausziehen-
de Divisionskommando stundenlang auf die Division warten musste. »Der Grund für das
verspätete Eintreffen der Division waren Verstopfung der Straßen ( durch die eigenen
Trains
) sowie »Mißverständnisse [ … ] es wartet Eines auf das Andere«.
Es wurde nun schon empfindlich kalt, dennoch musste die Mannschaft zumeist in
nur notdürftig hergestellten Unterständen oder im Freien übernachten. Nur die Offi-
ziere konnten in Häusern untergebracht werden und – was ein bezeichnendes Licht auf
die hierarchische Stellung der einfachen Soldaten in der Habsburgermonarchie wirft –
zumeist auch deren Pferde.
Am 17. November begann nördlich von Krakau ein mehrtägiger Kampf, in dessen Ver-
lauf Rolfs Einheit in einem Radius von mehreren Kilometern oftmalige Stellungswechsel
durchführen musste. Die Gefechte wurden schließlich in nördliche Richtung bis Proszo-
wice vorangetrieben. Ohne weiteren Kommentar berichtet Rolf, dass ein Hilfsbeobach-
ter am Kirchturm von Proszowice positioniert werden musste, da »telef. Leitung wegen
Mangel an Material nicht gelegt werden konnte.«
Wieder erwähnt Rolf mehrmals die »gute Wirkung« der eigenen Artillerie, schreibt
allerdings am 25. November, dass »eigene Truppen stark bedrängt« sind. Am 26. No-
vember wurde zwar Befehl erteilt, dass beide Batterien einen Ort nördlich von Proszo-
wice unter heftiges Feuer nehmen sollen, gleichzeitig wurden sie jedoch angewiesen,
sich marschbereit zu halten. Am Nachmittag erforderte der heftige russische Gegenstoß
den Rückzug in südliche Richtung, und zwar genau an jenen Ort, an dem die Kämp-
fe für Rolfs Einheit ursprünglich ihren Ausgang genommen hatten. Wiederum muss-
te eine gefechtsmäßige Stellung bezogen werden, allerdings wurde vom Kommando
bereits der weitere Rückzug in Aussicht gestellt. Zunächst war »vom Feind nichts zu se-
hen«, am Nachmittag wurde jedoch die Division »lebhaft mit Schrapnells beschossen«.
Das erste Mal berichtete Rolf von Verwundeten aus seinem eigenen Befehlsbereich: »2
Dragoner und ein Mann der Batterie 1«.
Am Abend war die gesamte Artillerie marschbereit, am 28. November wurde der Ab-
marsch Richtung Süden befohlen. In einem Bericht des Rainerregiments 59, das eben-
falls an der Schlacht bei Krakau beteiligt war, heißt es, dass der russische Gegenstoß
Rolf Geyling (1884-1952)
Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Rolf Geyling (1884-1952)
- Subtitle
- Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
- Author
- Inge Scheidl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79585-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 292
- Keywords
- Architektur, Historismus, Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Erster Weltkrieg, Ostfront, Kriegsgefangenschaft, Sibirien, China, Tianjin
- Category
- Biographien
Table of contents
- Revolte und Reife 8
- Eine Künstlerfamilie 9
- Zwischen Abenteuer und Architektur 15
- Mädy 35
- Mobilisierung und Krieg 41
- Der Weg an die Ostfront 41
- Die Schlacht von Lemberg 48
- »Durch Landesbewohner verraten« 59
- Die Sanoffensive 62
- Schlacht bei Krakau 65
- Kriegsalltag in der k. u. k. Armee 67
- Die »Angriffshast« der Infanterie 68
- Warten auf Befehle 70
- Bewegungskrieg in Nässe und Schlamm 74
- Schlacht bei Limanowa-Lapanow 78
- Die Schlacht von Tarnow-Gorlice 81
- Kriegsgefangenschaft 91
- Berichte zwischen Verklärung und Traumabewältigung 91
- »Kriegsordnung« und Kriegsgefangenenrealität 94
- Die Jahre in Sibirien 96
- Der Transport in die Lager 96
- Dauria 115
- Architekturentwürfe in der Gefangenschaft 139
- Zwischen den Fronten der »Weißen« und »Roten« Garde 149
- Antipicha – Perwaja-Rjetschka – Wladiwostok 159
- China 173
- Ankunft 173
- Dies ist ja eine Übergangszeit 182
- Aufträge und Rückschläge 189
- Das architektonische Werk 199
- Städtebauliche Planungen 203
- Öffentliche Gebäude und Geschäftsbauten 204
- Villen 214
- Miethäuser 221
- Gesellschaftliches Leben gibt es hier genug 224
- Wir leben recht abgeschlossen für uns 230
- Sehnsucht nach Österreich 238
- Ewige Ungewissheit 247
- Lao Gai Lin 257
- Epilog 265
- Literatur 269
- Bildnachweis 272
- Farbteil 273