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Kriegsgefangenschaft 122
12. Dez. Evang. Gottesdienst in einer Mannschaftskaserne. Alle Anwesenden singen mit
und der Pastor spricht recht treffend. Ein recht angenehmer und erbauender Eindruck.
14. Dez. Die Mannschaft hat furchtbar wenig zu essen, gerade nur um nicht zu verhun-
gern. Wir unterstützen sie womöglich, es sind aber allzu viele um wirken zu können. So
hat die Mannschaft schon den größten Teil der vielen wild umherlaufenden Hunde ver-
speist, so daĂź die Russen jetzt streng darauf acht geben. Auch einige Schweine sind
schon verschwunden. Aber in diesen Tagen haben sie eine Kuh, wie alle Tiere hier he-
rumlaufen und die Abfallgruben täglich inspizieren, in einer Baracke geschlagen. Wur-
den aber erwischt und die Âľ noch vorhandene Kuh als corpus delicti auf die Komman-
dantur geschleppt.
15. Dez. Untersuchung bei der Mannschaft; alle Werkzeuge, die sie sich mĂĽhsam selbst
gemacht werden ihnen genommen. Aller Alkohol wird weggenommen. Ein Offizier findet
an einer Stelle 10 Flaschen Schnaps ( 
die Mannschaft macht daraus Liköre und verkauft sie
weiter um einige Kopeken zu verdienen  ), der Offizier lässt die Flaschen wegtragen, aber
der Starschi stiehlt 3 Flaschen, gegen kleines Trinkgeld der Mannschaft wieder zurĂĽck.
16. Dez. 1200 Mann sind angekommen, meist Ungarn und Reichsdeutsche  ! Bisher waren
270 Offiziere und 8000 Mann hier im Lager.
17. Dez. Mittags ist plötzlich das Haus von Soldaten umstellt, und an jeder Zimmertü-
re steht einer. Aber der Starschi, der im Haus wohnt hat uns doch noch einige Minuten
vorher verständigt und die wenigen Briefe, um die mir sehr leid täte, sind sogleich, wie
schon immer vorbereitet versorgt. Ein Offizier geht von Zimmer zu Zimmer und Unter-
offizier durchsucht alles, Bett, Ofen u.s.w. Nimmt aber bei mir und in unserem Haus gar
nichts. In anderen Häusern nehmen sie die von Gefangenen vervielfältigten Kriegsberich-
te und allen Alkohol. Dabei lustige Szenen. Ein Unteroffizier kommt in ein Zimmer, am
Tisch steht gerade groĂźe Flasche Schnaps, ein Herr gibt dem Starschi rasch ein Stamperl
voll, der trinkt, deutet verstecken und lenkt die Untersuchung vorĂĽber. In einem ande-
ren Zimmer kommt ein schwer geladener Kapitän und findet im Koffer eines Herren, der
erst aus Tschita kam, mehrere Flaschen Wein. Er ĂĽbersieht sie und verbietet den Solda-
ten weiter zu suchen, es sei nichts hier  !
19. Dez. Nachmittags Kor- und Einzelgesänge. Nach vielen Bemühungen ist es gelun-
gen, daß wir ein russisches Dampfbad im Lager benützen dürfen. Man kommt wöchent-
lich einmal an die Reihe. Am Ende des Monats wollte unser Major dem Kommandanten
Rolf Geyling (1884-1952)
Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Rolf Geyling (1884-1952)
- Subtitle
- Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
- Author
- Inge Scheidl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79585-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 292
- Keywords
- Architektur, Historismus, Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Erster Weltkrieg, Ostfront, Kriegsgefangenschaft, Sibirien, China, Tianjin
- Category
- Biographien
Table of contents
- Revolte und Reife 8
- Eine KĂĽnstlerfamilie 9
- Zwischen Abenteuer und Architektur 15
- Mädy 35
- Mobilisierung und Krieg 41
- Der Weg an die Ostfront 41
- Die Schlacht von Lemberg 48
- »Durch Landesbewohner verraten« 59
- Die Sanoffensive 62
- Schlacht bei Krakau 65
- Kriegsalltag in der k. u. k. Armee 67
- Die »Angriffshast« der Infanterie 68
- Warten auf Befehle 70
- Bewegungskrieg in Nässe und Schlamm 74
- Schlacht bei Limanowa-Lapanow 78
- Die Schlacht von Tarnow-Gorlice 81
- Kriegsgefangenschaft 91
- Berichte zwischen Verklärung und Traumabewältigung 91
- »Kriegsordnung« und Kriegsgefangenenrealität 94
- Die Jahre in Sibirien 96
- Der Transport in die Lager 96
- Dauria 115
- ArchitekturentwĂĽrfe in der Gefangenschaft 139
- Zwischen den Fronten der »Weißen« und »Roten« Garde 149
- Antipicha – Perwaja-Rjetschka – Wladiwostok 159
- China 173
- Ankunft 173
- Dies ist ja eine Ăśbergangszeit 182
- Aufträge und Rückschläge 189
- Das architektonische Werk 199
- Städtebauliche Planungen 203
- Öffentliche Gebäude und Geschäftsbauten 204
- Villen 214
- Miethäuser 221
- Gesellschaftliches Leben gibt es hier genug 224
- Wir leben recht abgeschlossen fĂĽr uns 230
- Sehnsucht nach Ă–sterreich 238
- Ewige Ungewissheit 247
- Lao Gai Lin 257
- Epilog 265
- Literatur 269
- Bildnachweis 272
- Farbteil 273