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Kriegsgefangenschaft 130
danten. Und nach wieder stundenlangem Warten endlich, es ist ½ 1 Uhr geworden, in das
Quartier der österreichischen Offiziere. Es sind meist Ungarn und viele Przemesliden29.
10. Feb. Vom Stadtkommandant kommt der Erlaubnisschein und wir können zu einer
Zahnärztin, eine Verwandte von ihm  ! geführt werden. Da diese jedoch keine Brücken
machen kann, setzen wir durch, zu einer anderen zu kommen. Es mutet ganz sonder-
bar an, in einem menschlichen Zimmer und wieder unter Leuten. Die Zahnärztin scheint
recht gut zu arbeiten, aber auch noch aus anderen GrĂĽnden von dem Kommandanten
bevorzugt zu sein. Sie will viel Verständnis für die Entbehrungen der gefangenen Offi-
ziere haben und scheint auch Damen aus der Stadtgesellschaft dafür zu interessieren 
!
Die Tage gehen mit den vielen Besorgungen die mir die Kameraden auftrugen hin. Stadt
weitläufig aber wenig sauber. Einige große Warenhäuser wie ich sie nicht hier vermutet
hätte. Doch man bekommt wenig zu kaufen, und dies wahnsinnig teuer. Alle Fabrikate
sind deutschen Ursprungs und daher bekommt man nichts mehr nach, was einmal aus-
gegangen ist. Die Leute meist gutmĂĽtig, nur einige sehen mit Hass auf uns. Apotheke
und Drogerie wurden uns verboten, man fĂĽrchtet, dass wir Medikamente den Russen
wegkaufen  ! Einmal wieder in einem Wannenbad gewesen.
15. Feb. Ich gehe auf die Post und hier läuft auch die Dauria-Post durch. Richtig kann ich
mir die erste Nachricht heraussuchen. Eine Karte von 6. XII. und eine von 9. XII. meiner
Mutter. Endlich weiĂź ich, daĂź sie wohl sind.
17. Feb. 4h morgens muĂźten wir aufstehen, um auf den 10 Minuten entfernten Bahnhof
zu fahren, um ½ 10 Uhr kommt der Zug. Fahrt recht angenehm, alleine 7 unserer Offi-
ziere mit 4 Konvois. Es begegnen uns einige ZĂĽge mit Kriegsmaterial, es sollen die ame-
rikanischen Lieferungen30 beginnen.
18. Feb. 7h morgens kommen wir in Dauria an. Ein dänischer Arzt von der roten Kreuz-
Kommission ist auch mitgekommen. Die arme Mannschaft soll wenigst teilweise Kleider
bekommen. Endlich wieder daheim im Zimmer zu Dauria und ich kann wieder mit der
29 Bezeichnung fĂĽr Offiziere, die am 22. 3. 1915 bei der Kapitulation der Festung Przemysl mit
120.  000 Mann in Gefangenschaft geraten waren.
30 Da die Munitionsversorgung durch die eigenen Betriebe äußerst mangelhaft war, wurde An-
fang 1916 versucht, den Bedarf durch Lieferungen aus den USA und GroĂźbritannien zu decken,
was allerdings nie ausreichend funktionierte.
Rolf Geyling (1884-1952)
Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Rolf Geyling (1884-1952)
- Subtitle
- Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
- Author
- Inge Scheidl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79585-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 292
- Keywords
- Architektur, Historismus, Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Erster Weltkrieg, Ostfront, Kriegsgefangenschaft, Sibirien, China, Tianjin
- Category
- Biographien
Table of contents
- Revolte und Reife 8
- Eine KĂĽnstlerfamilie 9
- Zwischen Abenteuer und Architektur 15
- Mädy 35
- Mobilisierung und Krieg 41
- Der Weg an die Ostfront 41
- Die Schlacht von Lemberg 48
- »Durch Landesbewohner verraten« 59
- Die Sanoffensive 62
- Schlacht bei Krakau 65
- Kriegsalltag in der k. u. k. Armee 67
- Die »Angriffshast« der Infanterie 68
- Warten auf Befehle 70
- Bewegungskrieg in Nässe und Schlamm 74
- Schlacht bei Limanowa-Lapanow 78
- Die Schlacht von Tarnow-Gorlice 81
- Kriegsgefangenschaft 91
- Berichte zwischen Verklärung und Traumabewältigung 91
- »Kriegsordnung« und Kriegsgefangenenrealität 94
- Die Jahre in Sibirien 96
- Der Transport in die Lager 96
- Dauria 115
- ArchitekturentwĂĽrfe in der Gefangenschaft 139
- Zwischen den Fronten der »Weißen« und »Roten« Garde 149
- Antipicha – Perwaja-Rjetschka – Wladiwostok 159
- China 173
- Ankunft 173
- Dies ist ja eine Ăśbergangszeit 182
- Aufträge und Rückschläge 189
- Das architektonische Werk 199
- Städtebauliche Planungen 203
- Öffentliche Gebäude und Geschäftsbauten 204
- Villen 214
- Miethäuser 221
- Gesellschaftliches Leben gibt es hier genug 224
- Wir leben recht abgeschlossen fĂĽr uns 230
- Sehnsucht nach Ă–sterreich 238
- Ewige Ungewissheit 247
- Lao Gai Lin 257
- Epilog 265
- Literatur 269
- Bildnachweis 272
- Farbteil 273