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Kriegsgefangenschaft 158
3. Jänn. waren schon nach langer Angst vor den Chinesen, alle russischen Soldaten mit
ihren Koffern eiligst zur Bahn gelaufen und was konnte fort. – Endlich kamen Kosaken;
nach einigen Wochen begann wieder die Angst vor den Bolschewiken und der roten Gar-
de. Was konnte fährt nach Mandschuria weg. Russische Offiziere, auch unser Komman-
dant flieht mehrmals in der Nacht, nächsten Tag, wenn Ruhe kam er wieder.
4. Jänn. Ein Kosakenoffizier mit ein paar Mann ist hier und hat alle Bolschewiken zum
Teufel gejagt  ! Angeblich erwartet man aber, dass aus Tschita eine Abteilung der roten
Garde eintreffen soll. – Sehr bewegte Zeiten; besonders große Angst vor den Chinesen,
und einer eventuellen chinesischen Gefangenschaft. In Mandschuria ist zur Aufrechter-
haltung der Ordnung tatsächlich chinesisches Militär in Verwendung. – Aufregung und
Angst vor der Roten Garde steigern sich. Wer kann, fährt fort.
25. Jänn. Abend fuhr Dr. Markart – Meran, ein Zimmergenosse zum Austausch fort. Be-
gleite ihn zum Bahnhof, recht schwerer Abschied. Keine Bewachung mehr, angeneh-
me Zeit, weite Spaziergänge, aber es sollen Kosaken kommen, dann wird es wieder aus
sein. Erster größerer Spaziergang, zum Salzsee – am Heimweg von Kosaken geschlagen  !
1. März [  zwei Eintragungen mit diesem Datum  ] Gegen 8 Uhr morgen werden in der
Steppe Kosakenpatrouillen gesehen, bald folgen SchĂĽsse und dann wird die Eisenbahn-
station von Artillerie beschossen. Im Laufe des Vormittags entwickelt sich regelrechtes
Gefecht; unsere Kasernen stehen mitten im Bereich. Der russische Bauoberst flieht im
Artilleriefeuer mit seiner Familie zu uns, wo er mehrere Tage versteckt bleibt, bis sich die
Wut der Bolschewiken gelegt, seine Wohnung war aber geplündert, nur Möbeln, Ge-
schirr etc. zum Teil von den Gefangenen in Sicherheit gebracht. Gegen Mittag ziehen
sich die Kosaken, die zum GroĂźteil aus gewesenen russischen Offizieren und aus unse-
ren Serben bestanden durch unseren Kasernenbereich und ĂĽber Exerzierplatz zurĂĽck;
wir schauen alle von Fenstern und Hauswänden zu, wobei zwei Diener schwer verwun-
det werden. Bald kommen die ersten bolschewistischen Kosaken an und erzählen, man
hat ihnen gesagt wir würden mit gegen sie kämpfen  ! Einige Tage Plänkeleien knapp aus-
ser Dauria bis dann Tarasun (  nächste Station  ) erreicht. Alle gesperrten Häuser des Or-
tes wurden geplündert und bekommt man daher alles mögliche wieder billig zum Kauf
angeboten. – Semionow37 der Führer der Kosakenpartei soll der Meinung sein wir hät-
ten uns am Kampf beteiligt, das Artillerie-Feuer geleitet und soll deshalb keine Kriegs-
37 Grigori Michailowitsch Semjonow war ein russischer General und FĂĽhrer der WeiĂźen im russi-
schen BĂĽrgerkrieg. Er wurde von den Japanern unterstĂĽtzt.
Rolf Geyling (1884-1952)
Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Rolf Geyling (1884-1952)
- Subtitle
- Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
- Author
- Inge Scheidl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79585-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 292
- Keywords
- Architektur, Historismus, Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Erster Weltkrieg, Ostfront, Kriegsgefangenschaft, Sibirien, China, Tianjin
- Category
- Biographien
Table of contents
- Revolte und Reife 8
- Eine KĂĽnstlerfamilie 9
- Zwischen Abenteuer und Architektur 15
- Mädy 35
- Mobilisierung und Krieg 41
- Der Weg an die Ostfront 41
- Die Schlacht von Lemberg 48
- »Durch Landesbewohner verraten« 59
- Die Sanoffensive 62
- Schlacht bei Krakau 65
- Kriegsalltag in der k. u. k. Armee 67
- Die »Angriffshast« der Infanterie 68
- Warten auf Befehle 70
- Bewegungskrieg in Nässe und Schlamm 74
- Schlacht bei Limanowa-Lapanow 78
- Die Schlacht von Tarnow-Gorlice 81
- Kriegsgefangenschaft 91
- Berichte zwischen Verklärung und Traumabewältigung 91
- »Kriegsordnung« und Kriegsgefangenenrealität 94
- Die Jahre in Sibirien 96
- Der Transport in die Lager 96
- Dauria 115
- ArchitekturentwĂĽrfe in der Gefangenschaft 139
- Zwischen den Fronten der »Weißen« und »Roten« Garde 149
- Antipicha – Perwaja-Rjetschka – Wladiwostok 159
- China 173
- Ankunft 173
- Dies ist ja eine Ăśbergangszeit 182
- Aufträge und Rückschläge 189
- Das architektonische Werk 199
- Städtebauliche Planungen 203
- Öffentliche Gebäude und Geschäftsbauten 204
- Villen 214
- Miethäuser 221
- Gesellschaftliches Leben gibt es hier genug 224
- Wir leben recht abgeschlossen fĂĽr uns 230
- Sehnsucht nach Ă–sterreich 238
- Ewige Ungewissheit 247
- Lao Gai Lin 257
- Epilog 265
- Literatur 269
- Bildnachweis 272
- Farbteil 273