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Rolf berichtet in seinem Tagebuch: »Wettbewerb um Hotelpläne für Peitaiho, trotz Aus-
schluß deutscher Arbeiten, unter chinesischer Firma unter [ 
?  ] Entwürfen I. Preis errun-
gen. Auftrag für Ausführung durch den Einspruch des französischen Botschafters ver-
hindert.« Der »Ausschluß deutscher Arbeiten« ist wiederum auf die Auswirkungen des
Ersten Weltkrieges zurückzuführen. Nach dem Ende des Krieges nutzten nämlich die Sie-
germächte England und Frankreich die Gelegenheit, den bedeutenden wirtschaftlichen
Einfluss der Deutschen in China möglichst auszuschalten. Deutsches Eigentum wurde
beschlagnahmt und viele deutsche Reichsangehörige repatriiert. Da die zumeist völlig
mittellosen Heimkehrer in Deutschland keine Existenzgrundlage fanden, kehrte jedoch
viele Deutsche ab den 1920er-Jahren wieder nach Tientsin zurĂĽck, allerdings dauerte es
noch Jahre, bis sich die Beziehungen zwischen den »Siegern« und »Verlierern« des Ers-
ten Weltkrieges normalisierten. Wenngleich das Hotelprojekt also aus politischen GrĂĽn-
den nicht ausgefĂĽhrt wurde, war es doch zweifellos eine respektable Visitenkarte fĂĽr den
jungen Architekten, um in das Baugeschehen erfolgreich eintreten zu können.
Nachdem Rolf einige Monate bei der Firma Shing Ming Co. tätig gewesen war, kam
es allerdings, wie er in seinem Tagebuch am 15. 2. 1920 schreibt, »wegen ungebührlichen
Kontrakten« zu Differenzen. Er löste sein Arbeitsverhältnis auf, und schließlich wurde die
Firma überhaupt liquidiert. Von seinen eingegangenen Verpflichtungen entbunden, wäre
jetzt wohl der richtige Zeitpunkt gewesen, seine Heimreise anzutreten. Die Zeit, die Rolf
bis zum Abschluss seiner Verhandlungen mit der Firma in China bleiben musste, nĂĽtzte
er allerdings nicht, um seine Reise vorzubereiten, sondern – er gründete mit zwei deut-
schen Partnern eine eigene Firma 
! Einer dieser Teilhaber war K. Behrendt, der Architekt,
mit dem er sich in Peitaiho an dem Wettbewerb fĂĽr das Badehotel beteiligt hatte. Al-
lerdings zog sich nicht nur die Auflösung seines ersten Arbeitsverhältnisses, sondern
78 Badehotel,
Wettbewerbsentwurf,
mit K. Behrend (  li.  )
Rolf Geyling (1884-1952)
Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Rolf Geyling (1884-1952)
- Subtitle
- Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
- Author
- Inge Scheidl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79585-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 292
- Keywords
- Architektur, Historismus, Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Erster Weltkrieg, Ostfront, Kriegsgefangenschaft, Sibirien, China, Tianjin
- Category
- Biographien
Table of contents
- Revolte und Reife 8
- Eine KĂĽnstlerfamilie 9
- Zwischen Abenteuer und Architektur 15
- Mädy 35
- Mobilisierung und Krieg 41
- Der Weg an die Ostfront 41
- Die Schlacht von Lemberg 48
- »Durch Landesbewohner verraten« 59
- Die Sanoffensive 62
- Schlacht bei Krakau 65
- Kriegsalltag in der k. u. k. Armee 67
- Die »Angriffshast« der Infanterie 68
- Warten auf Befehle 70
- Bewegungskrieg in Nässe und Schlamm 74
- Schlacht bei Limanowa-Lapanow 78
- Die Schlacht von Tarnow-Gorlice 81
- Kriegsgefangenschaft 91
- Berichte zwischen Verklärung und Traumabewältigung 91
- »Kriegsordnung« und Kriegsgefangenenrealität 94
- Die Jahre in Sibirien 96
- Der Transport in die Lager 96
- Dauria 115
- ArchitekturentwĂĽrfe in der Gefangenschaft 139
- Zwischen den Fronten der »Weißen« und »Roten« Garde 149
- Antipicha – Perwaja-Rjetschka – Wladiwostok 159
- China 173
- Ankunft 173
- Dies ist ja eine Ăśbergangszeit 182
- Aufträge und Rückschläge 189
- Das architektonische Werk 199
- Städtebauliche Planungen 203
- Öffentliche Gebäude und Geschäftsbauten 204
- Villen 214
- Miethäuser 221
- Gesellschaftliches Leben gibt es hier genug 224
- Wir leben recht abgeschlossen fĂĽr uns 230
- Sehnsucht nach Ă–sterreich 238
- Ewige Ungewissheit 247
- Lao Gai Lin 257
- Epilog 265
- Literatur 269
- Bildnachweis 272
- Farbteil 273