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Rolf Geyling (1884-1952) - Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
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Das architektonische Werk 201 sehr geschätzt wurden und chinesische Formulierungen als altmodisch oder überholt galten. In gewisser Weise wurde daher die stilistisch vielfältige Gestaltungsweise des 19. Jahrhunderts in Verbindung mit europäischem Know-how zum Synonym von Fort- schrittlichkeit und Modernität. Diese eklektizistische, heute »postmodern« ausgeprägte Gestaltungsweise und die Ausrichtung an europäischen Architektur-Ensembles erfreu- en sich sogar bis heute großer Beliebtheit. So entstand ab 2006 etwa bei Shanghai eine Satellitenstadt, deren einzelne Stadtteile verschiedene Gebäude europäischer Kleinstäd- te mehr oder weniger kopierten oder nachempfanden: Es gibt eine deutsche, eine eng- lische, eine holländische oder italienische »Stadt«. Und 2012 wurde in der Provinz Gu- angdong eine – beinahe – getreue Kopie der österreichischen Kleinstadt Hallstatt, einer Weltkulturerbe-Region in Oberösterreich, inklusive See, Kirchturm, Dorfplatz und pas- tellfarbener Häuser als Wohnort für reiche Chinesen erbaut. Spannend ist daher, wie Rolf als Architekt auf die Erwartungshaltungen der Bauher- ren in Tientsin reagieren würde. Geschult in allen Stilen der Vergangenheit, hätte er sich der historistischen Bauweise problemlos anpassen können. Wie sich in seinen Skizzen aus seiner Gefangenschaft zeigte, hat er auch immer wieder mit verschiedenen stilisti- schen Formulierungen experimentiert. Andererseits war er von den Vorteilen moderner Baumaterialien überzeugt, und insbesondere im Stahlbeton sah er Ausdrucksmöglich- keiten, die neue, moderne Formulierungen bedingten bzw. förderten. Schon beim Klub- haus der Normannen, das er im Jahr 1912 in Klosterneuburg bei Wien erbaut hatte, ist zu erkennen, dass er bereit war, die historistische Gestaltungsweise hinter sich zu lassen. Wenn man als Kunsthistorikerin über einen Architekt arbeitet, so ist man – fast au- tomatisch – bestrebt, dessen Arbeiten einer bestimmten kunsthistorischen Epoche zu- zuweisen. Das funktioniert bei Architekten der Vergangenheit auch sehr gut. Bei einem Architekt, der etwa um 1700 tätig war, kann man sicher sein, dass er der Barockepoche angehörte. In der Baukunst des 19. und 20. Jahrhunderts wird diese stilistische »Schub- ladisierung« jedoch immer schwieriger bzw. ist überhaupt unmöglich geworden. Im 19. Jahrhundert bewirkte die industrielle Revolution im gesellschaftlichen Gefü- ge einen Umbruch, der weitgehend als Werteverlust erlebt wurde. Für die Architektur hatte das zur Folge, dass man in den Epochen der Vergangenheit »Werte« suchte und fand, die mithilfe des jeweiligen Stils auch bei neuen Bauaufgaben zum Ausdruck kom- men und auf diese Weise auf die Gegenwart übertragen werden sollten. Charakteristi- sche Beispiele findet man im Kirchenbau: Bei neu errichteten Kirchen sollte durch den Rückgriff auf den gotischen bzw. romanischen Stil die tiefe Religiosität des Mittelalters wiedererlangt werden. Gleichzeitig wurde diese Vorgehensweise jedoch wiederum als Verlust erlebt. Durch die Beschäftigung mit der Vergangenheit erkannte man nämlich, dass nun eine Epoche begonnen hatte, die erstmals keinen neuen Stil hervorzubrin-
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Rolf Geyling (1884-1952) Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Rolf Geyling (1884-1952)
Subtitle
Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Author
Inge Scheidl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79585-8
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
292
Keywords
Architektur, Historismus, Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Erster Weltkrieg, Ostfront, Kriegsgefangenschaft, Sibirien, China, Tianjin
Category
Biographien

Table of contents

  1. Revolte und Reife 8
  2. Eine KĂĽnstlerfamilie 9
  3. Zwischen Abenteuer und Architektur 15
  4. Mädy 35
  5. Mobilisierung und Krieg 41
  6. Der Weg an die Ostfront 41
  7. Die Schlacht von Lemberg 48
  8. »Durch Landesbewohner verraten« 59
  9. Die Sanoffensive 62
  10. Schlacht bei Krakau 65
  11. Kriegsalltag in der k. u. k. Armee 67
  12. Die »Angriffshast« der Infanterie 68
  13. Warten auf Befehle 70
  14. Bewegungskrieg in Nässe und Schlamm 74
  15. Schlacht bei Limanowa-Lapanow 78
  16. Die Schlacht von Tarnow-Gorlice 81
  17. Kriegsgefangenschaft 91
  18. Berichte zwischen Verklärung und Traumabewältigung 91
  19. »Kriegsordnung« und Kriegsgefangenenrealität 94
  20. Die Jahre in Sibirien 96
  21. Der Transport in die Lager 96
  22. Dauria 115
  23. ArchitekturentwĂĽrfe in der Gefangenschaft 139
  24. Zwischen den Fronten der »Weißen« und »Roten« Garde 149
  25. Antipicha – Perwaja-Rjetschka – Wladiwostok 159
  26. China 173
  27. Ankunft 173
  28. Dies ist ja eine Ăśbergangszeit 182
  29. Aufträge und Rückschläge 189
  30. Das architektonische Werk 199
  31. Städtebauliche Planungen 203
  32. Öffentliche Gebäude und Geschäftsbauten 204
  33. Villen 214
  34. Miethäuser 221
  35. Gesellschaftliches Leben gibt es hier genug 224
  36. Wir leben recht abgeschlossen fĂĽr uns 230
  37. Sehnsucht nach Ă–sterreich 238
  38. Ewige Ungewissheit 247
  39. Lao Gai Lin 257
  40. Epilog 265
  41. Literatur 269
  42. Bildnachweis 272
  43. Farbteil 273
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