Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Biographien
Rolf Geyling (1884-1952) - Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Page - 234 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 234 - in Rolf Geyling (1884-1952) - Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten

Image of the Page - 234 -

Image of the Page - 234 - in Rolf Geyling  (1884-1952) - Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten

Text of the Page - 234 -

China 234 Ruß sehr mitgenommen, und letztlich wurde er gar nicht mehr benützt. Stattdessen hat Rolf ein an das Haus angrenzendes Flachdach mit Sonnendach und Blumenkästen aus- gebaut. Allerdings wurde auch diese Anlage kaum genutzt und diente schließlich nur mehr dem jeweiligen Haushund als Auslauf. Die im Vorgarten gepflanzte Akazie, die al- ler Unbill zum Trotz schließlich bis zum zweiten Stockwerk reichte, wurde hingegen von der Hauskatze als willkommene Aufstiegshilfe genutzt. Wie wenig Bedeutung diese Ter- rasse für Hermine hatte, zeigt sich nicht zuletzt darin, dass sie diesen Dachausbau in ih- ren Briefen niemals ansprach, während sie das Gärtchen noch minutiös geschildert hat- te. Allerdings fanden auch die Haustiere – üblicherweise ein Hund und eine Katze –, die ein fixer Bestandteil des Geyling’schen Haushaltes waren, bei ihr niemals eine Erwähnung. Wie stand nun Rolf zu seiner Frau  ? Die von Hermine immer wieder beklagte »Ver- schlossenheit« lässt auf eine gewisse Distanziertheit Rolfs schließen – eine Distanziert- heit, die allerdings nicht fehlender Liebe entsprang, sondern eher Rolfs Bedürfnis, sich von nichts und niemandem in seinem beruflichen Fortkommen stören zu lassen. Er setzte damit jene Strategie fort, die sich schon während des Krieges und der Jahre der Gefan- genschaft bewährt und Rolf dabei geholfen hatte, sich von Schwierigkeiten abzuschot- ten. Auch emotionale Aufregungen, die detaillierte Berichte über seine berufliche Lage bei Hermine unweigerlich ausgelöst hätten, waren für Rolf offenbar zum Arsenal an zu vermeidenden Schwierigkeiten dazuzuzählen. Manchmal fügte Rolf an die Briefe, die Hermine an seine Mutter schrieb, ein paar Zeilen an. Immer betonte er, dass seine Frau sehr oder recht »brav« sei, wie auch am 26. 6. 1924 aus einer etwas ausführlicheren Briefstelle hervorgeht: »Sie [  Mädy  ], ist doch recht brav, und hat sich die Zeit hier ganz enorm entwickelt. Sie musste eben einmal ganz auf eigenen Füssen stehen. Anfangs war es ja wirklich mitleidsvoll schwer für sie; aber auch das musste durchgemacht sein. – Jetzt ist sie trotz ihrer überschwachen Ner- ven recht selbständig und unternehmungssicher geworden, und trägt auch alle Wider- wärtigkeiten und Ärger sehr tapfer.« Beinahe gewinnt man den Eindruck, dass Hermine von ihrem Mann nicht wirklich ernst genommen wurde, denn die Zeilen vermitteln eher den Eindruck, dass hier von einer heranwachsenden Jugendlichen und nicht von einer erwachsenen Ehefrau die Rede ist. Allerdings scheint Hermines Verhalten, vielleicht durch ihre schwache nervliche und gesundheitliche Konstitution bedingt, diese Einschätzung provoziert zu haben. Denn bezüglich ihrer Schwägerin Greta schrieb Hermine im Juni 1923: »Ich dachte, wozu schreiben. Greta braucht mich im Grunde gar nicht, sie ist mir ja weit überlegen – und sieht in mir immer wieder nur das kleine Mädchen.« Und auch in Hinsicht auf die Frau ihres Hausarztes Dr. Brüll gesteht sie ihre Schwäche ein: »Frau Brüll ist soviel gesunder und robuster in ihrem Denken – und ich kann da nicht immer mit – dies quält mich etwas.«
back to the  book Rolf Geyling (1884-1952) - Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten"
Rolf Geyling (1884-1952) Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Rolf Geyling (1884-1952)
Subtitle
Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Author
Inge Scheidl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79585-8
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
292
Keywords
Architektur, Historismus, Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Erster Weltkrieg, Ostfront, Kriegsgefangenschaft, Sibirien, China, Tianjin
Category
Biographien

Table of contents

  1. Revolte und Reife 8
  2. Eine KĂĽnstlerfamilie 9
  3. Zwischen Abenteuer und Architektur 15
  4. Mädy 35
  5. Mobilisierung und Krieg 41
  6. Der Weg an die Ostfront 41
  7. Die Schlacht von Lemberg 48
  8. »Durch Landesbewohner verraten« 59
  9. Die Sanoffensive 62
  10. Schlacht bei Krakau 65
  11. Kriegsalltag in der k. u. k. Armee 67
  12. Die »Angriffshast« der Infanterie 68
  13. Warten auf Befehle 70
  14. Bewegungskrieg in Nässe und Schlamm 74
  15. Schlacht bei Limanowa-Lapanow 78
  16. Die Schlacht von Tarnow-Gorlice 81
  17. Kriegsgefangenschaft 91
  18. Berichte zwischen Verklärung und Traumabewältigung 91
  19. »Kriegsordnung« und Kriegsgefangenenrealität 94
  20. Die Jahre in Sibirien 96
  21. Der Transport in die Lager 96
  22. Dauria 115
  23. ArchitekturentwĂĽrfe in der Gefangenschaft 139
  24. Zwischen den Fronten der »Weißen« und »Roten« Garde 149
  25. Antipicha – Perwaja-Rjetschka – Wladiwostok 159
  26. China 173
  27. Ankunft 173
  28. Dies ist ja eine Ăśbergangszeit 182
  29. Aufträge und Rückschläge 189
  30. Das architektonische Werk 199
  31. Städtebauliche Planungen 203
  32. Öffentliche Gebäude und Geschäftsbauten 204
  33. Villen 214
  34. Miethäuser 221
  35. Gesellschaftliches Leben gibt es hier genug 224
  36. Wir leben recht abgeschlossen fĂĽr uns 230
  37. Sehnsucht nach Ă–sterreich 238
  38. Ewige Ungewissheit 247
  39. Lao Gai Lin 257
  40. Epilog 265
  41. Literatur 269
  42. Bildnachweis 272
  43. Farbteil 273
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Rolf Geyling (1884-1952)