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sichtlich nur schlecht mit Geld umgehen konnte. Immer wieder erfuhr Rolf durch seine
Mutter oder Schwester von Geldnöten seines Bruders, was seine Familienangehörigen
verstärkt beunruhigte, nachdem Remigius geheiratet und zwei Kinder zu versorgen hat-
te. Rolf hatte, wie schon erwähnt, das finanzielle Auskommen seiner Mutter gesichert,
solange sie lebte. Nun fühlte er sich auch für seinen älteren Bruder verantwortlich und
half ihm leihweise mit einem größeren Betrag aus. Wie ein Brief vom 21. 3. 1939 an seine
Schwester zeigt, hatte er allerdings von vorherein wenig Hoffnung, dass sich die Lebens-
situation seines Bruders grundsätzlich ändern würde. Deutlich kommen in diesen Zeilen
die charakterlichen Unterschiede zwischen den beiden Brüdern zutage: »Die Verhältnisse
bei Remi haben sich also, wie es zu erwarten war, auch nach seiner scheinbaren Sanie-
rung nicht geändert. Damit, liebe Greta, müssen wir uns wohl abfinden. [  …  ] Mache Dir
vorläufig keinerlei Sorgen wegen meiner Sicherstellungen etc. 50 % jeder Hoffnung habe
ich schon aufgegeben als ich einsprang. Ich halte mehr als wegen meiner Sicherung
auf der Verantwortlichhaltung, weil sonst Remi und seine Familie die Sache sicherlich
nur zu leicht nehmen und eine Wiederholung gar nicht so ausgeschlossen wäre. Wenn
ich die Hälfte des Geldes wiedersehe so bin ich auch zufrieden; natürlich kann man das
nicht durchleuchten lassen. Ich werde demnächst an Remi schreiben um [  …  ] die Rück-
zahlung in Raten, und die Sicherstellung durch Bilder etc. vorzuschlagen. Wir kennen ja
leider Remi, wenn er nicht fest genommen wird, so wird er auch unter den besten Be-
dingungen gerade nur durchwursteln.«
Die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, gehörte sicherlich zu Rolfs heraus-
ragenden Charaktereigenschaften und zeigte sich bei ihm schon in jungen Jahren, als er
seinen psychisch erkrankten Vater in die Klinik begleitete. Natürlich nahm er später seine
Verantwortung als Familienvater besonders ernst. Ein Beispiel sind etwa die MaĂźnahmen,
die er ergriff, als er den hoch riskanten Auftrag fĂĽr die Hochwasser-Abfanganlage und
Schiffsschleuse bei Tientsin annahm. Am 12. 4. 1931 schreibt er seiner Schwester: »Natür-
lich ist so eine Arbeit immer ein groĂźes Wagnis, und deshalb habe ich schon vorher fĂĽr
den Fall eines Fehlschlages eine Summe bereitgestellt, die Mädy und den Kindern min-
dest die Heimreise und fĂĽr einige Zeit den Unterhalt sichern soll. Ich konnte mich lange
nicht entschliessen den Cheque, der nun schon Monate bereit liegt auch abzuschicken,
denn das Betriebskapital fĂĽr so eine Arbeit ist ja nie genug. Aber darf das Risiko nicht
eingehen, und sende daher nun den Cheque an dich. Ich weiss, dass ich damit man-
chen Vorteil aus der Hand gebe, aber es muss auch so gehen. [  …  ] Die Arbeit muss äus-
serst rasch betrieben werden, und in zwei Monaten werde ich schon wissen, ob ich ge-
wonnen oder verloren habe.«
Einmal aber siegten Rolfs berufliche Interessen doch ĂĽber seinen Familiensinn: Er
wusste von seiner Schwester, dass aufgrund des Allgemeinzustandes seiner Mutter –
Rolf Geyling (1884-1952)
Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Rolf Geyling (1884-1952)
- Subtitle
- Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
- Author
- Inge Scheidl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79585-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 292
- Keywords
- Architektur, Historismus, Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Erster Weltkrieg, Ostfront, Kriegsgefangenschaft, Sibirien, China, Tianjin
- Category
- Biographien
Table of contents
- Revolte und Reife 8
- Eine KĂĽnstlerfamilie 9
- Zwischen Abenteuer und Architektur 15
- Mädy 35
- Mobilisierung und Krieg 41
- Der Weg an die Ostfront 41
- Die Schlacht von Lemberg 48
- »Durch Landesbewohner verraten« 59
- Die Sanoffensive 62
- Schlacht bei Krakau 65
- Kriegsalltag in der k. u. k. Armee 67
- Die »Angriffshast« der Infanterie 68
- Warten auf Befehle 70
- Bewegungskrieg in Nässe und Schlamm 74
- Schlacht bei Limanowa-Lapanow 78
- Die Schlacht von Tarnow-Gorlice 81
- Kriegsgefangenschaft 91
- Berichte zwischen Verklärung und Traumabewältigung 91
- »Kriegsordnung« und Kriegsgefangenenrealität 94
- Die Jahre in Sibirien 96
- Der Transport in die Lager 96
- Dauria 115
- ArchitekturentwĂĽrfe in der Gefangenschaft 139
- Zwischen den Fronten der »Weißen« und »Roten« Garde 149
- Antipicha – Perwaja-Rjetschka – Wladiwostok 159
- China 173
- Ankunft 173
- Dies ist ja eine Ăśbergangszeit 182
- Aufträge und Rückschläge 189
- Das architektonische Werk 199
- Städtebauliche Planungen 203
- Öffentliche Gebäude und Geschäftsbauten 204
- Villen 214
- Miethäuser 221
- Gesellschaftliches Leben gibt es hier genug 224
- Wir leben recht abgeschlossen fĂĽr uns 230
- Sehnsucht nach Ă–sterreich 238
- Ewige Ungewissheit 247
- Lao Gai Lin 257
- Epilog 265
- Literatur 269
- Bildnachweis 272
- Farbteil 273