Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Biographien
Rolf Geyling (1884-1952) - Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Page - 256 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 256 - in Rolf Geyling (1884-1952) - Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten

Image of the Page - 256 -

Image of the Page - 256 - in Rolf Geyling  (1884-1952) - Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten

Text of the Page - 256 -

China 256 Wie Rolf die politische Lage dieser Tage erlebte, schildert er Greta im März 1941: »Du kannst dir nicht vorstellen in welcher Spannung hier Alles lebt. Engländer und Ameri- kaner haben schon fast alle Frauen und Kinder weggesandt und die Männer sitzen auf dem Sprung. Man wartet förmlich auf die Explosion Amerika – Japan. Vorerst sollte uns eine solche nicht direkt berühren, was aber in der Folgezeit daraus wird kann man na- türlich nicht wissen.« Einmal mehr zeigte Rolf sein Talent, aus allen Situationen das Bes- te zu machen: »Wir denken sogar daran, wenn hier Nahrungsmittelknappheit verschärft eintreten sollte, eventuell nach Peitaiho zu übersiedeln, und dort selbst etwas Gemüse und Kartoffeln zu pflanzen. Wir werden auch über die neuesten und über die noch dro- henden Schwierigkeiten hinwegkommen.« Mitte der 40er-Jahre betätigte sich Rolf ein letztes Mal als Architekt. Im Jahr 1945 hei- ratete seine Tochter Maria (  Mausi  ) den deutschen Studienrat Dr. Erich Seyfarth, der seit 1943 an der Deutschen Schule die Fächer Deutsch und Geschichte unterrichtete, und Rolf beschloss, für das junge Ehepaar und die engste Familie in Tientsin eine gemeinsa- me »Familienvilla« zu errichten. Gleichsam als krönenden Abschluss seiner Karriere ver- wendete er für den Außen- und Innenausbau Material von höchster Qualität, das er vor dem Ausbruch des Krieges aus Österreich importiert hatte und das sich noch in seinem Lager befand. Interessant ist die Gestaltung dieses Gebäudes. Während in den diktato- risch regierten Ländern allgemein eine Zuwendung zum Neoklassizismus feststellbar ist, hat sich in den anderen Ländern der »Internationale Stil«, dessen Gestaltungsweise auf Stahlbetonskelettkonstruktionen in Verbindung mit großen Glasflächen beruhte, durch- gesetzt. Wie schon besprochen, ließ Rolfs Architektur ebenfalls schon deutlich die Ten- denz zu vereinfachten, funktionalistischen Planungen erkennen. Bemerkenswert ist, dass er jedoch nun, bei der Konzeption seines Familienwohnsitzes in Tientsin, diese Prinzi- pien verließ und quasi zu seinem Idealbild einer Villa, die er während seiner Gefangen- schaft immer wieder variierte, zurückkehrte. So wie damals Gestaltungsmittel wie steile Dächer mit Dachgaupen und die Verwendung von Bruchsteinmauerwerk die Sehnsucht nach der Heimat verkörperten, erfüllten diese Stilmittel bei der um 1945 erbauten Villa nun die Funktion der Heimatverbundenheit. (Abb. 116) Das Haus wurde Ende des Zweiten Weltkrieges fertig und sofort von der US-Marine konfisziert, die die Aufgabe hatte, die Kuomintang bei der Verteidigung der Stadt gegen die Kommunisten zu unterstützen. In diesem Zusammenhang wurde auch die nahe gele- gene Pferderennbahn als Flugfeld bestimmt – wenngleich dort niemals ein Flugzeug lan- den sollte, wie sich später herausstellte. Wie auch immer, die umliegenden Häuser mussten für den erwarteten Flugverkehr abgerissen oder zumindest die Stockwerksanzahl verrin- gert werden. Auch bei Rolfs Villa wurden das erste Stockwerk sowie das Dachgeschoß abgetragen – eine Maßnahme, die schließlich auf eine Demolierung hinauslief. (Abb. 117)
back to the  book Rolf Geyling (1884-1952) - Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten"
Rolf Geyling (1884-1952) Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Rolf Geyling (1884-1952)
Subtitle
Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Author
Inge Scheidl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79585-8
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
292
Keywords
Architektur, Historismus, Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Erster Weltkrieg, Ostfront, Kriegsgefangenschaft, Sibirien, China, Tianjin
Category
Biographien

Table of contents

  1. Revolte und Reife 8
  2. Eine KĂĽnstlerfamilie 9
  3. Zwischen Abenteuer und Architektur 15
  4. Mädy 35
  5. Mobilisierung und Krieg 41
  6. Der Weg an die Ostfront 41
  7. Die Schlacht von Lemberg 48
  8. »Durch Landesbewohner verraten« 59
  9. Die Sanoffensive 62
  10. Schlacht bei Krakau 65
  11. Kriegsalltag in der k. u. k. Armee 67
  12. Die »Angriffshast« der Infanterie 68
  13. Warten auf Befehle 70
  14. Bewegungskrieg in Nässe und Schlamm 74
  15. Schlacht bei Limanowa-Lapanow 78
  16. Die Schlacht von Tarnow-Gorlice 81
  17. Kriegsgefangenschaft 91
  18. Berichte zwischen Verklärung und Traumabewältigung 91
  19. »Kriegsordnung« und Kriegsgefangenenrealität 94
  20. Die Jahre in Sibirien 96
  21. Der Transport in die Lager 96
  22. Dauria 115
  23. ArchitekturentwĂĽrfe in der Gefangenschaft 139
  24. Zwischen den Fronten der »Weißen« und »Roten« Garde 149
  25. Antipicha – Perwaja-Rjetschka – Wladiwostok 159
  26. China 173
  27. Ankunft 173
  28. Dies ist ja eine Ăśbergangszeit 182
  29. Aufträge und Rückschläge 189
  30. Das architektonische Werk 199
  31. Städtebauliche Planungen 203
  32. Öffentliche Gebäude und Geschäftsbauten 204
  33. Villen 214
  34. Miethäuser 221
  35. Gesellschaftliches Leben gibt es hier genug 224
  36. Wir leben recht abgeschlossen fĂĽr uns 230
  37. Sehnsucht nach Ă–sterreich 238
  38. Ewige Ungewissheit 247
  39. Lao Gai Lin 257
  40. Epilog 265
  41. Literatur 269
  42. Bildnachweis 272
  43. Farbteil 273
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Rolf Geyling (1884-1952)