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630 Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773)
Verspartien
Brixner Panegyrik Wappen und Architektur sowie am Schluss einen Himmel, der an barocke Kirchen-
decken mit ihren WolkentĂĽrmen, Durchblicken, Engeln und Heiligen erinnert.
Viele dieser Beschreibungen lassen sich allegorisch verstehen, doch erfordert die
Auflösung oft ein beträchtliches Vorwissen. Sprachlich begegnet in beiden Fällen
dasselbe barock-exuberante, nicht gerade einfache Lat. Angesichts dieser Analogien
und des kurzen zeitlichen Abstands, der die beiden Werke trennt, liegt die Vermu-
tung nahe, dass sie vom selben Jesuitendichter stammen oder dass zumindest der
Verfasser von In Hoc Signo den Regulus gekannt hat.
Die vielfältigen literarischen, kunstgeschichtlichen, historischen, politischen
und kirchengeschichtlichen Bezüge der beiden Werke können hier nicht einmal
andiskutiert werden. Ihre Behandlung sei stattdessen mit einigen Bemerkungen zu
ihren poetischen Partien abgeschlossen, die im Regulus etwa ein Viertel, in In Hoc
Signo etwa ein Sechstel des Textes ausmachen. Die Metren sind jeweils vielfältig :
In beiden Fällen begegnen Hexameter, Distichen, Oden- und Epodenmaße, im
Regulus darüber hinaus Trochäen, Anapäste und Hendekasyllabi, in In Hoc Signo
Pentameterhälften, jambische Senare und freie Rhythmen. Als längeres Einzelge-
dicht ist in In Hoc Signo eine dialogische Ekloge bemerkenswert, in der ein ĂĽber die
VerwĂĽstungen des Spanischen Erbfolgekriegs trauriger und ein optimistischer Hirte
ihren Gefühlen Ausdruck verleihen (27–30). Dass der Autor dieses Werks auch eine
sprachspielerische Ader besaß, zeigt folgende – streng genommen unübersetzbare
– Passage im jambischen Senar, in welcher der Genius Österreichs das Orakel eines
Echofelsens befragt (24) :
G(enius) : Dabisne nobis vocem veridicam ? Echo : Dicam.
G : Quot optas regiis Sponsis, dic, annos ? E : Canos.
G : In eos qui His male volunt, quid spiras ? E : Iras.
G : Wirst du uns wahrheitsgemäß antworten ? E : Ja.
G : Wie viele Jahre, sag, wünschst du den königlichen Brautleuten ? E : Graue Haare.
G : Was fauchst du gegen die, die ihnen ĂĽbel wollen ? E : Meinen Zorn.8
Der Regulus ist, wie es scheint, das einzige umfangreichere und zugleich das einzige
gedruckte Gedicht auf einen Brixner FĂĽrstbischof, das sich aus dieser Epoche er-
halten hat. Was an panegyrischer Poesie aus Brixen sonst noch ĂĽberliefert ist, steht
in der Hs. SEM, E 23, die v.a. Texte aus dem Bischöflichen Gymnasium und sei-
nem Umfeld enthält. Gepriesen werden dort nicht nur die Bischöfe selbst, sondern
8 Das Stück könnte direkt oder indirekt von dem metrisch und strukturell ganz ähnlichen Epigramm
Anth. Plan. 152 angeregt worden sein. Vgl. darüber hinaus die bekannte Stelle Ov. met. 3,379–392.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 2
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 728
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- AbkĂĽrzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322