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654 Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773)
Giovanni Battista
Furnio (?) schiedenen Elegien zu unterschiedlichen MeditationsĂĽbungen, um das menschliche
Herz für Gott zu entflammen“ ; Innsbruck 1722) will, wie schon sein Titel verrät,
prinzipiell ähnlich wirken wie der Fasciculus. Es unterscheidet sich von diesem aber
durch das elegische VersmaĂź, die von Klassiker-Reminiszenzen durchsetzte Sprache
und das Fehlen einer Ăśbersetzung, was alles auf ein exklusiveres Publikum weist,
sowie durch die weitere Thematik und den etwas anders gearteten emotional-spiri-
tuellen Weg, den es den Leser fĂĽhrt. Nach einer Dedikation an Maria gliedert es sich
formal in drei Teile mit insgesamt 114 Elegien jeweils gleicher Länge (41 Elegien zu
je 18 Versen, 37 Elegien zu je 14 Versen, 36 Elegien zu je 10 Versen), wobei der Sinn
dieser Anordnung dunkel bleibt. Inhaltlich scheinen sich Themen wie die Zerknir-
schung des SĂĽnders, die Bitte an Gott um Hilfe, die Angst in der Todesstunde, die
Passion Christi, die Trinität und ihre einzelnen Personen, die Allwissenheit, Macht
und GĂĽte Gottes usw. weithin regellos zu folgen, viele werden auch wiederholt an-
gesprochen. Die Gedichte pendeln ständig zwischen der Nichtigkeit und Sündhaf-
tigkeit der irdischen Existenz und den daraus resultierenden trĂĽben Zukunftsaus-
sichten einerseits, der Herrlichkeit und GĂĽte Gottes andererseits hin und her. Da
der Grundton der ersten vier Gedichte Zerknirschung ist, während sich die letzten
vier den Freuden des Paradieses widmen, erscheint dieses Auf und Ab aber doch von
einer durchgängigen Aufwärtsbewegung überlagert. Der Leser soll sich offenbar mit
dem literarischen Ich, das den sĂĽndigen und seiner SĂĽndhaftigkeit bewussten Men-
schen generell repräsentiert, identifizieren und dessen mühsames Sich-Emporringen
nachvollziehen, bis er glĂĽcklich ins Paradies eingehen kann. Die Funktion, wel-
che die thematische Wiederholung in diesem Prozess erfĂĽllt, wird noch unterstĂĽtzt
durch die ständige Wiederkehr der immer gleichen, großteils der biblischen Tradi-
tion entnommenen Bildsprache und Motivik. Solche Leitmotive sind etwa der Ge-
gensatz Licht – Finsternis, die Unerkennbarkeit und Unsagbarkeit der Herrlichkeit
Gottes, der Himmel als Heimat, die Fallstricke der SĂĽnde und der Durst nach Gott.
FĂĽr sich steht eine Sammlung von 31 schlechten Elegien und (z.T. auch he-
xametrischen) Epigrammen, die sich nach einer „Rede über die Sehnsucht nach
dem himmlischen Vaterland“ auf den S. [9]–[21] der Hs. BCR, ms. 14.9.7 findet
und die man faute de mieux wie jene einem sonst unbekannten Giovanni Battista
Furnio (wohl 18. Jh.) zuschreiben wird. Zumindest bietet sich das fĂĽr den ersten,
vorwiegend persönlich gehaltenen Teil ([9]–[15]) an, dessen Sprecher gerade sein
Studium abgeschlossen hat, in den Jesuitenorden eingetreten ist und mit einer ge-
wissen Inbrunst seinen Glauben und seine Einsatzbereitschaft beteuert. Ob auch
der zweite Teil ([16]–[21]) von Furnio stammt, ist zweifelhaft : [15] ist großteils
leer gelassen, das erste Gedicht auf [16] wird als anderswo abgeschrieben bezeichnet
und eine Serie von zehn Epigrammen ist dem Tod des Kardinals Alessandro Farnese
d.J. (1520–1589) gewidmet.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 2
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 728
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- AbkĂĽrzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322