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Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik 715
Oratio genethliaca
Grustner,
De virtute […]
Gregorii
rede“ ; Innsbruck 1741) auf die Geburt des späteren Kaisers Joseph II. (* 13. März
1741). Mit einem bekannten Bescheidenheitstopos nennt er sich selbst rudis et ste-
rilis orator ([2] ; „roher und fruchtloser Redner“), während ihm doch eine rhetorisch
ausgefeilte Rede gelungen ist.
Unter Anspielungen auf die jüngsten Todesfälle im Kaiserhaus, etwa den 1740
verstorbenen Kaiser Karl VI., wird die Personifikation des Todes angerufen und
um Einhalt gebeten. Josephs Geburt sei ein Wendepunkt, mit unzähligen (in den
Fußnoten angegebenen) Parallelstellen aus AT und NT erscheint Joseph gar als
verheißenes Kind wie einst Jesus, über das sich das ganze Reich freuen soll. Erwar-
tungen werden aus den Etymologien seiner verschiedenen Namen abgeleitet und in
ein Schlussgebet für das Kind überführt.14
Aber nicht nur Glück verheißende Gelegenheiten boten Anlass zu lat. Panegyrik,
sondern auch traurige Ereignisse, wie etwa Todesfälle : Im Jahr 1719 verstarb der
Abt des Stiftes Wilten, Gregor Stremer (1681–1719). Im Rahmen der Neuwahl
hielt der Chorherr Casimir Grustner eine Leichenrede auf den Verstorbenen unter
dem Titel De virtute et gestis reverendissimi, perillustris ac amplissimi praesulis domini
Gregorii („Über den trefflichen Charakter und die Taten des verehrungswürdigs-
ten, sehr edlen und hochwürdigsten Herrn Abt Gregor“ ; Innsbruck 1719). Casimir
Grustner15 wurde 1690 in Eppan geboren und begann nach dem Schulbesuch in
Innsbruck 1708 in Wilten sein Noviziat. Er wurde in der Folge für weitere Studien
von 1710 bis 1714 nach Rom ans Collegium Germanicum geschickt, wo er sich
neben Theologie v.a. mit modernen Fremdsprachen beschäftigte. Nach Wilten zu-
rückgekehrt, lehrte er Philosophie und Theologie. Grustner starb am 27. Juli 1754
und hinterließ zahlreiche Schriften (vgl. hier S. 721–723, 814–815).
Im Stift Wilten herrscht nach dem Tod von Abt Gregor größte Trauer (1–2), die erst durch
die Ankunft der Kommission zur Wahl eines neuen Abtes etwas gelindert wird. Grust-
ner will das Leben Abt Gregors darstellen, damit es pro speculo nobis serviat (3 ; „uns zum
Vorbild diene“). Er übergeht in einer großen Praeteritio Gregors Kindheit, Ausbildung,
Eintritt in den Orden und Karriere bis zum Priorat (4–5). Das eigentliche Thema, Gre-
gors Leistungen als Abt von Wilten, wird anhand seiner verschiedenen Tugenden behan-
delt : beispielhafte Frömmigkeit (5–8), Weisheit (9–10), politisches Geschick (11), Demut
14 Neben dem Druck findet sich der Text der Oratio genethliaca auch noch hs. im Cod. E 23 der
Seminarbibliothek in Brixen (Bl. 472r–475r). Dort schließt sich an das den Text im Druck
beendende „Amen“ noch ein Chronogramm an, das jedoch nicht funktioniert : VIVat IosephVs
benedICtVs aVgVstVs mIChaeL Ioannes antonIVs aDaMVs (= 2301, nicht das gewünschte 1741).
15 Zu Grustners Biographie vgl. Goovaerts 1, 334–335 ; zu seiner Stellung innerhalb der Academia
Taxiana Grass 1948 ; zu seinem Aufenthalt in Rom hat sich im Archiv des Collegium Germanicum
et Hungaricum ein Eintrag im Matrikelbuch (Bd. 1, Sig.: HIST 1 ; Nr. 3270) erhalten.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 2
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 728
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- Abkürzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322