Page - 727 - in TYROLIS LATINA - Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Image of the Page - 727 -
Text of the Page - 727 -
Geschichtsschreibung 727
Dominik Koler
mit der Neuordnung des Archivs – ein Projekt, das gut zwei Jahrzehnte in Anspruch
nehmen sollte. Warell und Remich versahen die Urkunden im Archiv mit Signatu-
ren und verzeichneten sie in Registerbänden. In einem chronologisch geordneten
Verzeichnis (Neustift, Cod. 18, bekannt als Index Warellianus) ergänzten sie die
Regestenreihe durch Eintragungen aus den Protokollen, dem Kapitular und an-
deren Quellen und schufen somit ein erstes QuellengerĂĽst fĂĽr die Geschichte des
Stiftes. Auf dieser Grundlage begann Warell 1671 mit der Arbeit an seinen Annales
Neocellenses („Neustifter Annalen“ ; Neustift, Cod. 15). Er verfasste eine Einleitung,
in der er die KlostergrĂĽndung durch den Brixner Bischof Hartmann, Reimbert von
Säben und seine Frau Christina schilderte (abgedruckt bei Mairhofer 1867, 36–54),
sowie eine Darstellung der Klostergeschichte bis zum Jahr 1178. Als Warell 1674
zum Dekan gewählt wurde, übernahm der Kapitelsekretär Remich die Arbeit an
den Annales und fĂĽhrte die Darstellung bis ins Jahr 1678 weiter. Abgesehen von
der zusammenhängend erzählten Vorgeschichte des Klosters halten sich die Auto-
ren streng an das annalistische Schema. FĂĽr jedes Jahr verzeichnen sie Ereignisse
und zitieren unzählige Urkunden, die von wichtigen Stiftungen bis hin zu den
alltäglichsten Rechtsgeschäften ein breites Spektrum für das Stift relevanter Belange
dokumentieren. Auch wenn ein GroĂźteil des Werks aus Zitaten besteht und das
annalistische Korsett nur wenig Platz fĂĽr literarische Gestaltung bietet, scheuen
sich die Autoren nicht, das Geschehen gelegentlich zu dramatisieren. So verarbei-
tete z.B. Warell die Vorlage (abgedruckt bei Mairhofer 1867, 41), die den Tod von
Reimberts Sohn ĂĽberliefert, zu einem eindrucksvollen Gebet (Mairhofer 1867, 37) :
Darin bittet Reimbert, Gott möge seinen Sohn, sollte er ein guter Mensch werden,
beschützen, sollte er aber ein böser Mensch werden, noch als Kind sterben lassen.
Als 1678 beide Autoren mit der Seelsorge betraut wurden, musste die Arbeit an den
Annales, die nur in einem unredigierten Arbeitsexemplar erhalten sind, unvollendet
abgebrochen werden.
1690 entschloss sich der Chorherr Dominik Koler (1651–1701 ; Gasser 2, 167–
168 ; Tovazzi, Nr. 558 ; ÄŚernĂk 1905, 292) dazu, auf der Grundlage von Warells
Annalen und von Schriften des früheren Chronisten Johannes Librarius († 1467 ;
vgl. Giner 1942, 101 ; Riedmann 1990, 588) eine neue Darstellung der Stiftsge-
schichte in Angriff zu nehmen. Koler fand die annalistische Form, die historisch
Zusammenhängendes auseinanderreißt, unübersichtlich und für sein Vorhaben
ungeeignet. Für seine Geschichte der Neustifter Pröpste opferte er den Vollstän-
digkeitsanspruch und wählte nur das Wichtigste aus dem Urkundenmaterial aus.
Um das Wirken der Pröpste durch eine Einbettung in den allgemeinen Kontext
verständlicher zu machen, integrierte er auch Ereignisse aus der politischen Ge-
schichte Tirols und seiner Herrscherhäuser in die Darstellung, wobei er sich auf
Gerhard de Roo (vgl. hier S. 324) und andere Historiker stützte. Im Jahr 1693
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 2
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 728
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- AbkĂĽrzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322