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Geschichtsschreibung 767
Girolamo
Tartarotti
Konflikte mit der
Kirche
den Annales Primissers genannt. Im Pfarrarchiv von Mais befindet sich schlieĂźlich
unter der Signatur 531 ein speziell die Pfarre Mais betreffender Auszug.
Auch im SĂĽden der Grafschaft wurde seit den 20er-Jahren des 18. Jhs. Ge-
schichtsforschung mit neuem Eifer betrieben. Eine zentrale Rolle spielte hier der
Roveretaner Gelehrte Girolamo Tartarotti (1706–1761),4 eine einflussreiche, aber
heftig umstrittene Erscheinung im kulturellen Leben Tirols um die Mitte des 18.
Jhs. Nach dem Besuch des Roveretaner Gymnasiums und dem Studium der Phi-
losophie und Theologie in Padua wollte er einen geistlichen Beruf ergreifen und
wurde abate, empfing aber nie die Priesterweihe. Zunächst führte er ein unstetes
Leben und verdingte sich zeitweise als Hauslehrer oder Sekretär in Adelshäusern
in Innsbruck, Rom, Venedig und Rovereto, bis er sich ab 1743 dauerhaft in seiner
Heimatstadt niederließ. Während seiner Wanderjahre knüpfte er Kontakte zu be-
deutenden Intellektuellen wie Lodovico Antonio Muratori (1672–1750), der ihn
entscheidend beeinflusste, Apostolo Zeno (1668–1750), Scipione Maffei (1675–
1755) und Anton Roschmann (s.o.). Tartarotti versuchte zweimal, 1728 und 1741,
ohne langfristigen Erfolg, in Rovereto eine Akademie zu etablieren. Der von sei-
nen Zöglingen 1750 gegründeten Accademia degli Agiati hingegen stand er dis-
tanziert gegenĂĽber. Im Unterschied zu Roschmann, mit dem ihn das Interesse fĂĽr
die Geschichte seiner Heimat eng verband, fĂĽhlte sich der Roveretaner Gelehrte
als kritischer Geist mehr der Wahrheit als der Heimatliebe verpflichtet. In seinen
wissenschaftlichen und literaturkritischen Ansichten war er kompromisslos. Seine
Beziehungen zu Roschmann, Maffei und Benedetto Bonelli (s.u.) und manch ande-
rem zerbrachen, weil sich durch die Schärfe von Tartarottis Polemik aus ursprüng-
lich wissenschaftlichen Auseinandersetzungen persönliche Konflikte entwickelten,
im Fall Maffeis und Bonellis sogar offene Feindschaften.
Anfänglich lag Tartarottis Interesse v.a. auf dem Gebiet der Ästhetik, wo es ihm
um den guten Geschmack in der italienischen Literatur zu tun war. Auch auf dem
Gebiet der Bildungsvermittlung zeigte er sich engagiert, indem er veraltete Metho-
den anprangerte. Mit der Zeit änderte sich jedoch die Hauptstoßrichtung seiner
aufklärerischen Bemühungen. Um zu einem reinen Glauben zu gelangen, sei es
im Sinne Lodovico Muratoris notwendig, mit Aberglauben, Legenden und dem
über die Jahrhunderte angehäuften liturgischen Ballast aufzuräumen. Tartarotti tat
dies zum einen durch die Aufdeckung der den Hexenprozessen zugrunde liegenden
Irrtümer (vgl. hier S. 820–821), zum anderen, indem er eine radikale historische
Kritik an die kirchlichen Traditionen herantrug. Während er bei seiner Richtigstel-
lung der Kirchengeschichte anfangs auf die UnterstĂĽtzung des Trientner Bischofs
Dominik Anton von Thun (reg. 1730–1758) zählen konnte, sorgte seine Tätigkeit
4 Lorenzi 1805 ; Broll 1901 ; Fracassi 1906 ; Convegno Tartarotti 1997.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 2
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 728
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- AbkĂĽrzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322