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770 Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773)
De episcopatu schichte üben zu müssen, als auch weil seine Schrift tatsächlich v.a. den Acta Sanctorum
entgegenwirken sollte. Danach referiert Roschmann zunächst die Argumentation der Bol-
landisten und ĂĽberprĂĽft deren GĂĽltigkeit. Seine eigene Argumentation ist sehr ausfĂĽhrlich
und stĂĽtzt sich auch auf Tiroler Quellen, welche den Bollandisten unbekannt waren. Auch
die LĂĽcke zwischen Kassian und Ingenuin versucht er zu schlieĂźen, indem er fĂĽr die da-
zwischen liegenden Jahrhunderte die Existenz einer Reihe bis dahin unbekannter Säbener
Oberhirten annimmt, von denen er zwei sogar benennen zu können glaubt. Die Quellen,
auf denen Roschmanns Behauptungen fußen, sind jedoch sehr spät. Trotz seiner umständ-
lichen Argumentation kann er keine Beweise liefern.
Tartarotti reagierte mit einem offenen Brief an Roschmann. Die De episcopatu Sa-
bionensi […] ad Antonium Roschmannum […] epistola („Brief […] an Anton Rosch-
mann […] über das Säbener Bischofsamt“ ; Venedig 1750) deckte schonungslos
alle Schwächen in Roschmanns Argumentation auf und stellte dessen Quellen als
spät und unzuverlässig bloß. Auch dass Roschmann in seinem Aufsatz fortwährend
die Wichtigkeit des Anonymus Mabillonii herunterzuspielen versucht, kreidet ihm
Tartarotti an. Roschmanns Arbeitsweise wird einer strengen Methodenkritik unter-
zogen (4–5) :
At quid hoc aliud est quam argumentis relictis coniecturas sectari et, ubi scientia haberi potest,
opinione contentum esse ? Critices artis criticorumque omnium constans et firmissima regula est,
ut coniecturae probationibus convellantur. Tu contra coniecturis et quidem infirmis validissi-
mas probationes oppugnare conaris. Certe si ita argumentari liceret, quidquid lubet, quidquid
imaginatione assequimur, adstrui nullo negotio posset.
Aber was ist das anderes, als dass man die Argumente verlässt und Mutmaßungen nach-
läuft und, wo man gesichertes Wissen haben kann, mit bloßer Meinung zufrieden ist ?
Die feste und zuverlässigste Regel der Kritik und aller Kritiker ist, dass die Mutmaßun-
gen durch Beweise widerlegt werden. Du hingegen versuchst, die stärksten Beweise durch
Mutmaßungen, und noch dazu schwache, zu bekämpfen. Wenn man so argumentieren
dürfte, so könnte sicher, was immer man will, was immer wir uns ausdenken können, ohne
Mühe bestätigt werden.
Nach dem Verriss von Roschmanns Werk in der ersten Hälfte des Briefs (1–51), führt
Tartarotti in dessen zweiter Hälfte (51–118) die hagiographische Überlieferung des Hl.
Ingenuin vor, um zu beweisen, wie unzuverlässig die kirchlichen Traditionen und liturgi-
schen Bücher sind, auf die sich Roschmann in Ermangelung älterer Belege für seine These
stĂĽtzen muss : Ingenuin wird in der Ăśberlieferung als Heiliger verehrt, obwohl auĂźer Frage
steht, dass er als Schismatiker außerhalb der rechtmäßigen Kirchengemeinschaft stand.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 2
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 728
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- AbkĂĽrzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322