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800 Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773)
Kunst des lat.
Versemachens
Nachlass
Primissers
Germanicae
linguae
institutiones im vollständigen Titel als Weiterführung und Ergänzung zur Ars metrica zu erken-
nen. Resch bietet darin ein umfangreiches Corpus von Redewendungen aus Ovid,
welches er durch drei Indizes erschlieĂźt.
Reschs Corpus demonstriert, dass es noch um die Mitte des 18. Jhs. ein weit ver-
breitetes Anliegen war, die SchĂĽler in die Kunst des lat. Versemachens einzufĂĽhren :
Der Bedarf an Gelegenheitspoesie aller Art war, wie das Poesiekapitel dieser Epoche
zeigt, nach wie vor hoch. Gleichzeitig machen die drei Schriften auch klar, wie man
dabei didaktisch vorging : Ă„hnlich, wie die SchĂĽler die lat. Prosa einerseits anhand
der Grammatik, andererseits durch Memorieren und EinĂĽben von Redewendungen
beherrschen lernten (s.o.), bekamen sie auch hier eine Mischung aus Theorie (Pros-
odie, Metrik, Figurenlehre) und Praxis (Beispielverse und -phrasen) vorgesetzt. Die
Konzentration auf Ovid als den sprachlich flüssigsten und eingängigsten Vertreter
der augusteischen Dichtung ist dabei durchaus sinnvoll. Dass das elegische Distichon
i.A. im Zentrum steht, war bereits in der vorhergehenden Epoche der Schulpoesie der
Jesuiten zu beobachten (vgl. hier S.Â
398–405) und steht in enger Wechselwirkung mit
dem Vorherrschen dieses VersmaĂźes in der lat. Gelegenheitsdichtung.
Wie ein begabter Schüler bzw. Student versuchte, sich selbständig auf höherem
Niveau Sprachen anzueignen und sein Verständnis ihres Aufbaus zu vertiefen, zei-
gen zwei Faszikel aus dem Nachlass Cassian Primissers OCist (vgl. hier S.Â
761–763)
in Stams. Sie sind nicht zuletzt deshalb von Interesse, weil sie sich nicht auf das Lat.
allein, ja nicht einmal auf die heiligen Sprachen Lat., Griechisch und Hebräisch
beschränken, sondern auch moderne Sprachen einbeziehen : das Deutsche, das im
17. und 18. Jh. in immer höherem Maße grammatisch analysiert und reglementiert
wurde, das Italienische und Französische, ja sogar ein eher entlegenes Idiom wie das
Rätoromanische weckten Primissers Aufmerksamkeit.
Das erste Opusculum, ein Jugendwerk, fällt noch in Primissers Schulzeit am
Meraner Gymnasium und zeugt von seiner FrĂĽhreife und seiner schon damals
auĂźerordentlichen Gabe, zu systematisieren und zusammenzufassen (Bergmann
1861, 5–6 ; BBKL 22, 1119). Es trägt den Titel Germanicae linguae institutiones
(„Unterweisungen in der deutschen Sprache“) und stellt eine lat. Kurzfassung von
Johann Christoph Gottscheds erstmals 1748 erschienener Grundlegung einer deut-
schen Sprachkunst dar. Gottscheds fast 700 Seiten umfassende Darstellung wird da-
rin in ĂĽbersichtlicher Form auf gut 50 Seiten komprimiert. Primisser ĂĽbernimmt
Gottscheds – im Wesentlichen schon humanistische – Vierteilung der Grammatik
in Orthographie, Morphologie, Syntax und Prosodie und folgt auch dessen weiterer
Untergliederung der betreffenden Abschnitte in „Hauptstücke“ und Paragraphen.7
7 Es handelt sich also nicht, wie man bei der Lektüre von Zeman 1986, 8 glauben könnte, um ein
selbständiges Werk, das sich an Gottsched nur anlehnt.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 2
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 728
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- AbkĂĽrzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322