Page - 822 - in TYROLIS LATINA - Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Image of the Page - 822 -
Text of the Page - 822 -
822 Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773)
Argumentation
Stil Die Propugnatio beginnt mit einem kurzen Rückblick auf die bisherige Debatte (§ I,
S.Â
III–IV) und einer Erwiderung auf allgemein gehaltene Vorwürfe Gaars wie denjenigen,
Tartarotti vertrete neuartige Meinungen (§ II, S. V–VIII). Im Folgenden (§§ III–XVII,
S. VIII–LXXVII) orientiert sich Graser genau an den einzelnen Anmerkungen Tartarottis
zu Gaars Predigt und zugleich an Gaars Antworten auf diese Anmerkungen und arbeitet
auf diese Weise die Kontroverse Stück für Stück auf. So geht es beispielsweise in § III
(S. VIII–IX) darum, ob Tartarotti mit seinem unbefangenen Sprechen von incubo und
succubo, d.h. dem Teufel als männlichem und weiblichem Beischläfer, die Dezenz verletzt
habe. § VI (S. XX–XXIII) widmet sich der Frage, ob man die Delinquentin, auch ange-
nommen, sie wäre wirklich eine Hexe gewesen, denn gleich hätte zum Tode verurteilen
müssen. In § XII (S. LII–LX) wird diskutiert, wie groß oder klein die Zahl der tatsäch-
lich im Vergleich zu derjenigen der angeblich vom Teufel Besessenen sei. Zum Schluss
(§ XVIII, S. LXXVII–LXXIX) vergleicht Graser Tartarottis Milde und Bescheidenheit
vorteilhaft mit Gaars Aggressivität und warnt diesen davor, sich weiterhin zum Gespött
zu machen.
Der Erfolg der Schrift ist in inhaltlicher wie in formaler Hinsicht gerechtfertigt. In-
haltlich argumentiert Graser auf der Basis einer FĂĽlle theologischer, kirchenrechtli-
cher und hexentheoretischer Quellen (Luzzi 2004b, 13 zählt 40 Autoren) und geht
dabei jeweils genau auf die von Tartarotti und Gaar vorgegebenen Streitpunkte ein.
Auf diese Weise drängt er seinen Gegner nicht nur generell in die Defensive, es ge-
lingt ihm sogar häufig, ihn mit seinen eigenen Waffen zu schlagen, etwa indem er zu
seiner Widerlegung bekannte Hexentheoretiker wie Martin Delrio SJ (1551–1608)
heranzieht. Dieser wird z.B. auf S.Â
LXII mit der Ansicht zitiert, weniger schwerwie-
gende Fälle von Hexerei seien nicht, wie im vorliegenden Falle geschehen, mit dem
Tod, sondern nur mit lebenslanger Haft zu ahnden.
Ăśberzeugend wirkt die Propugnatio aber auch deshalb, weil es Graser gelingt, seine
technische und gelehrte Argumentation durch einen lebhaften, anschaulichen Stil
zu beleben ; Tartarotti selbst nennt die Schrift „salita e piperata“ und lobt ihr „bellis-
simo latino“ (zitiert nach Luzzi 2004b, 14). Grasers Gewohnheit, Tartarotti und Gaar
wörtlich zu zitieren sowie Gaar direkt anzusprechen, vermittelt dem Leser den Ein-
druck, Ohrenzeuge einer tatsächlich geführten Debatte zu werden. In der Polemik
gegen seinen Opponenten bleibt er vergleichsweise moderat, wodurch sein immer
spürbares persönliches Engagement nicht maliziös oder streitsüchtig wirkt, sondern
ehrlicher EntrĂĽstung zu entspringen scheint. Ein Beispiel unter vielen (S. XXV) :
Ego vero, GAARI, illum sane minime hoc crediturum facile mihi persuadeo, qui nesciat, qua
ratione processus, ut vocant, contra striges per totam qua late patet Europam olim instrui soliti
essent, quae aberrationes, qui abusus, qui excessus in illis passim notarentur. Haec tu si ignoras,
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 2
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 728
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- AbkĂĽrzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322