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826 Von der GrĂŒndung der UniversitĂ€t bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773)
antijesuitische
Tendenzen
Kemter ĂŒber
Anderl von Rinn als Voraussetzung des Seelenheils. Dazu kÀmen allerdings auch medizinische Vorteile, die
ausfĂŒhrlich dargelegt werden. â Sarcophilus (Bl. B4vâD3r) bedauert, dass derlei rigide
GrundsÀtze weitgehende Anerkennung genössen, und zweifelt an ihrer Berechtigung. Die
Analyse der einzelnen von seinem Gegner vorgetragenen Aspekte erfolgt mithilfe des ar-
gumentativen Repertoires der AufklĂ€rung. â Theophilus Veronensis (Bl. D3râE4r) plĂ€diert
in seinem Bestreben, beiden Positionen die Spitze zu nehmen, fĂŒr einen gemĂ€Ăigt aufge-
klÀrten Standpunkt. Er bleibt grundsÀtzlich den Vorgaben des Sarcophibus verpflichtet,
schwĂ€cht diese aber insofern ab, als er in vielen Einzelfragen fĂŒr individuelle Lösungen ein-
tritt. Seine moderate Haltung unterstreicht er durch das Herrenwort Ne tentes Dominum
Deum (Mat 4,7, zitiert auf Bl. Er ; âDu sollst Gott, den Herrn, nicht versuchenâ), gegen
das ĂŒbertrieben strenge, gesundheitsgefĂ€hrdende Fastengebote in seinen Augen verstoĂen.
Insgesamt lÀsst sich sein Standpunkt als Versuch einer Synthese von Katholizismus und
AufklÀrung verstehen.
Im Jahr 1760 wurden die rationalistischen Vorbehalte gegen die Scholastik, die
sich schon lĂ€ngere Zeit hindurch immer deutlicher artikuliert hatten, in Ăsterreich
durch die GrĂŒndung der Wiener Studienhofkommission gleichsam institutiona-
lisiert. In der Folge kam es vielerorts bereits zur Entfernung der Jesuiten von den
LehrstĂŒhlen, wodurch der Spekulation endgĂŒltig Einhalt geboten und stattdessen
augustinisch-thomistischer Theologie der Boden bereitet werden sollte. Auch das
jansenistische Gedankengut, mit dem die Reformer sympathisierten, insbesondere
der moralische Rigorismus, gewann auf diese Art an Boden (Haidacher 1952, 248â
255 ; Falkner 1969, 159â169 ; Vocelka 2001, 236). In Innsbruck verblieben zwar
die Jesuiten einstweilen noch in Amt und WĂŒrden, doch wurden 1761 zwei neue
LehrstĂŒhle fĂŒr augustinische und thomistische Theologie und 1762 eine zweite Pro-
fessur fĂŒr Moraltheologie geschaffen.
Die beiden erstgenannten LehrstĂŒhle gingen an Adrian Kemter OPraem aus
Wilten und Joachim Plattner OCist aus Stams (Coreth 1947, 21 ; Falkner 1969,
171). Dass mit Kemter ein PrÀmonstratenser zum Zug kam, kann angesichts der
traditionellen NĂ€he dieses Ordens zu Augustinismus und Jansenismus (Haidacher
1952, 204â205) kaum ĂŒberraschen ; allerdings war man in Wilten von der âthomis-
tischenâ Gnadenlehre, die man noch zu Beginn des Jahrhunderts vehement vertre-
ten hatte, inzwischen weit abgerĂŒckt (Haidacher 1952, 253). Kemter (1705â1774 ;
vgl. hier S. 755) war ein vielseitiger Gelehrter, der rund ein Dutzend theologische
und sonstige Schriften hinterlieĂ. An dieser Stelle sei nur auf die ĂŒber 300 Seiten
starken, mit Kupferstichen illustrierten Acta pro veritate martyrii corporis et cultus
publici beati Andreae Rinnensis (âAkten, die fĂŒr die Wahrheit des körperlichen Mar-
tyriums und der öffentlichen Verehrung des Seligen Andreas von Rinn sprechenâ ;
Innsbruck 1745 ; vgl. Abb. 135) hingewiesen, die vor ihrer Publikation in Wilten,
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 2
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Ć ubariÄ
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 728
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Von der GrĂŒndung der UniversitĂ€t bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Ć ubariÄ) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Ć ubariÄ/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Ć ubariÄ) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- AbkĂŒrzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322