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828 Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773)
Bedeutung
Plattner : ein
‚Staatstheologe‘
Flavian Ricci wo Kemter damals unterrichtete, durch zwei seiner Schüler verteidigt worden wa-
ren (Haidacher 1952, 144–145).
Kemter analysiert zunächst die historischen Quellen für das Martyrium bzw. deren Fehlen
(Kap. 1–2). Anschließend erzählt er die Legende (Kap. 3–5), stellt Betrachtungen über die
Juden i.A. an und diskutiert die Voraussetzungen für die Anerkennung von Anderls Tod
als Martyrium (Kap. 6–7). Gegen Ende behandelt er angeblich von Anderl vollbrachte
Wunder (Kap. 8) und die Entwicklung seines Kultes (Kap. 9–12).
Von Interesse sind die Acta einerseits als Zeugnis dafür, dass in Wilten auch ein
knappes Jahrhundert nach Wilhelm Bliemels Werk über den Hl. Norbert (vgl. hier
S. 552–554) hagiographische Stoffe zum Gegenstand philosophisch-theologischer
Disputationen werden konnten. Andererseits stellen sie ein weiteres Kapitel in
der Geschichte des Anderl von Rinn-Kultes (vgl. hier S. 441–442) dar, wobei sie
ihrerseits als direkte Reaktion auf jüngste Entwicklungen in der Sache zu verste-
hen sind : Erst im Vorjahr, 1744, hatten die Chorherren vom Brixner Bischof die
Erlaubnis zur öffentlichen Verehrung der Reliquien erhalten. Unter diesen Um-
ständen verwundert es nicht, dass der historisch-kritische Anspruch, mit dem das
Werk auftritt, aus heutiger Perspektive nicht eingelöst wird. Ob für die endgültige
Anerkennung des Kultes 1755 die Acta oder aber die Schenkung zweier im Besitz
des Stifts befindlicher Hs. mit den Dekreten der Konzilien von Basel und Konstanz
an Papst Benedikt XIV. (vgl. Neuhauser 1988, 63) ausschlaggebend war, lässt sich
nicht mehr sicher feststellen.
Der aus Barwies im Oberinntal stammende Joachim Plattner OCist (1725–
1789), der vor seiner Berufung an die Universität Innsbruck in Stams unterrichtet
hatte (Gasser 3, 88), ist ein gutes Beispiel für einen Theologen, der mit den staatlich
geförderten aufklärerischen Tendenzen der Zeit weitgehend konform ging. Seine
Werke bezeugen schon durch ihre Titel eine augustinisch-thomistische, historisch-
kritische und rationalistische Einstellung. Wie sehr er damit der offiziellen Uni-
versitätspolitik der Zeit entsprach, lässt sich etwa daran ablesen, dass seine rund
400 Seiten starken Dissertationes historico-criticae in universos theologiae tractatus
(„Historisch-kritische Erörterungen über alle Bereiche der Theologie“ ; Innsbruck
1766) eine Prämie von 100 Gulden für das beste gelehrte Werk des Jahres erhiel-
ten (Haidacher 1952, 317 ; Coreth 1995, 27–28). Gleichermaßen symptomatisch
ist allerdings sein Scheitern als akademischer Lehrer (das er übrigens mit Kemter
teilt) : Er hatte kaum Hörer, weil diese nach wie vor den Jesuiten verbunden blieben
(Haidacher 1952, 256–263).
Der zweite Lehrstuhl für Moraltheologie ging an den Franziskanerpater Flavian
Ricci (1714–1789) aus Cembra, vormals Lektor für Philosophie und Theologie in
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 2
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 728
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- Abkürzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322