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Theologie und kirchliches Schrifttum 829
Antrittsvorlesung
Exegese : Kopf,
Tyrocinium
seinem Trientner Kloster, der am 2. Januar 1762 in Innsbruck den theologischen
Doktorgrad erwarb und mit Hofdekret vom 10. September desselben Jahres zum
Professor ernannt wurde. In den folgenden Jahren ĂĽberarbeitete er das moraltheo-
logische Handbuch seines Tegernseer Mitbruders Anaklet Reiffenstuel, einen Klas-
siker dieses Faches (Hurter 4, 929–931), im Sinne des Probabiliorismus, einer etwas
strengeren Weiterentwicklung des Probabilismus (Falkner 1969, 172–177). 1767
kehrte er in sein Kloster zurĂĽck, 1769 wurde er als Professor der Dogmatik an
die Universität Pavia berufen, wo er bis 1788 lehrte und zahlreiche weitere Werke
verfasste.2
In seiner hs. erhaltenen, 18 Seiten umfassenden Antrittsvorlesung (TLMF, FB
458/5) legt Ricci seinen theologischen Standpunkt offen. Die AusfĂĽhrungen lassen
einen in erster Linie frommen, kirchentreuen Gelehrten erkennen. Einziges Zuge-
ständnis an die Aufklärung ist die Ansicht, was die Moraltheologie leiste, sei auch
fĂĽr Staat und Zivilgesellschaft von hoher Relevanz ; zumal Eliten wie Richter, Ă„rzte
usw. sollten davon nicht unbeeinflusst bleiben. Die Ansprache beginnt mit einer
Kritik am gängigen Lehrbetrieb, in dem die (Natur-)Wissenschaften zum Nachteil
der Sitten zu viel Gewicht hätten. Seine Disziplin, die Theologie, sieht Ricci in ih-
rer gesamten Breite. Er nennt die Quellen, auf denen sie fußt (Bibel, Kirchenväter,
Konzils- und SynodalbeschlĂĽsse), und beschreibt knapp die wichtigsten Subdiszi-
plinen : Dogmatik, Polemik, Scholastik, Moral. Dass die Moraltheologie zur Zeit
geradezu auf Verachtung stoße, hänge mit der – auch von ihm abgelehnten – ka-
suistischen Tradition zusammen und sei umso bedauerlicher, als sie die ĂĽbrigen
Disziplinen gleichsam umfasse. DarĂĽber hinaus sei sie insofern die vornehmste,
als sie die Menschen zur Beachtung der göttlichen Gesetze führe. Seinen eigenen
Standort innerhalb der Moraltheologie legt Ricci in der Mitte zwischen Laxismus
und Rigorismus fest. In besonderer Weise verbunden fĂĽhlt er sich den Ansichten
des englischen Jesuiten Antonius Terillus (1621–1676), eines bedeutenden Syste-
matikers des Probabilismus (BBKL 11, 672–673). Einen Mittelweg schlägt er auch
in seinem wissenschaftlichen Selbstverständnis als Theologe ein : Er wolle weder zu
viel Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten setzen, noch sich allein auf göttliche Hilfe
verlassen.
Die Aufwertung der praktischen Fächer, welche die Studienordnung von 1752
vorsah, äußerte sich auch in der Forderung nach einer intensiveren Pflege der Bibel-
wissenschaften. Dieses Ansinnen war umso berechtigter, als die Exegese, die Mitte
des 17. Jhs. eine BlĂĽte erlebt hatte, im 18. Jh. in Verfall geraten war (Falkner 1969,
81). In Innsbruck hatte seit 1755 mit dem Weltpriester Ferdinand Kopf (1729–
1810 ; vgl. Gasser 2, 169–170 ; Wurzbach 12, 435) ein tüchtiger Wissenschaftler
2 Gasser 3, 141–142 ; Hurter 5, 225 ; Coreth 1947, 27 ; Haidacher 1952, 201 ; Coreth 1995, 27.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 2
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 728
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- AbkĂĽrzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322