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Philosophie und Naturwissenschaft 845
Charakteristik
Greimbl verficht eine im Detail etwas andere Theorie als Manincor. Seine Kerngedanken
sind die folgenden : Er lehnt zunÀchst eine Reihe von ErklÀrungsmodellen ab, darunter
auch jenes von den heiĂen Winden. Diese seien Begleiterscheinung, aber nicht direkte Ur-
sache von Erdbeben. Beweis dafĂŒr sei u.a., dass es Erdbeben auch bei Windstille gebe und
dass aus Erdspalten nie bloĂ heiĂe Luft, sondern auch âfauliges Wasserâ (putrida unda)
komme. Andere Gelehrte wĂŒrden behaupten, das Erdbeben von Lissabon sei durch einen
Kometen verursacht worden, der entweder auf die die Erde â gemÀà Descartesâ Theorie
des Ătherwirbels (vortex) â umgebende MateriehĂŒlle aufgetroffen sei oder gemÀà Newtons
Gravitationskraft auf den Planeten eingewirkt habe. Doch wenn das wahr wĂ€re, mĂŒsste ja
die ganze Erde und nicht nur Lissabon gezittert haben ; auĂerdem wĂŒrden auch Kometen
gesichtet, wenn keine Erdbeben stattfinden. Die Ursache von Erdbeben seien vielmehr
feurige DĂ€mpfe, die dem feurigen Erdkern entsteigen. Deshalb sei in Lissabon zusam-
men mit dem Erdbeben auch ein Feuer ausgebrochen. Diese Theorie wĂŒrde u.a. bewiesen
durch Wallungen von Quellen vor dem Ausbruch von Erdbeben, begleitende vulkanische
AktivitÀt und durch eine Analogie mit einem Experiment des französischen Chemikers
Nicolas LĂ©mery (1645â1715). Dieser hatte einen kĂŒnstlichen Vulkan produziert, indem er
EisenspÀne mit Wasser und Schwefel vermischte, diese Masse in der Erde vergrub und ihre
âgĂ€rendeâ Reaktion abwartete. In einer ausfĂŒhrlichen Appendix (61â72) setzt sich Greimbl
noch mit einem Traktat zur Entstehung von Erdbeben von Johannes Simon Gottlieb
Dinkler auseinander (Abhandlung von denen natĂŒrlichen Ursachen derer Erdbeben ; Frank-
furt a.M. 1756). Dieser sei erschienen, als die Dissertation schon in den Druck gegangen
sei. Dinkler war einer der ersten Autoren, die den Fluss von ElektrizitÀt als die Ursache
von Erdbeben angaben, eine Theorie, die Greimbl ernst nimmt und mit seiner eigenen zu
verbinden versucht : Feurige Masse enthalte schlieĂlich ElektrizitĂ€t, und was seien elektri-
sche Ströme anderes als feurige oder feuerartige Materie, die mit sauren und schwefeligen
AusdĂŒnstungen vermischt sei ? (63 ; Quid demum sunt torrentes electrici ? Nonne materia vel
ignea, vel igni analoga exhalationibus acido-sulphureis permixta ?)
Greimbls Abhandlung zeigt, dass sich die Art der Naturbetrachtung seit der GrĂŒn-
dung der UniversitÀt gewandelt hat und den modernen Naturwissenschaften ein
StĂŒck nĂ€her gekommen ist. Aristoteles ist nicht mehr die unumschrĂ€nkte AutoritĂ€t.
Newton wird ebenso diskutiert wie der aufstrebende Wissenschaftszweig der Che-
mie. Dem PhĂ€nomen der ElektrizitĂ€t wird groĂe Beachtung geschenkt. Dadurch
und wegen des â im Vergleich zu Manincors Werk â fehlenden Charakters eines
Augenzeugenberichts wirkt die Dissertation technischer und âwissenschaftlicherâ.
Andererseits ist sie nicht trocken geschrieben, sondern glÀnzt durch lebendigen Stil.
Dass dies erstrebenswert war, geht nicht zuletzt aus den vorangestellten Approbatio-
nen der theologischen und der philosophischen FakultÀt der UniversitÀt Innsbruck
hervor, die beide u.a. die styli amoenitas (âLieblichkeit des Stilsâ) der vorliegenden
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 2
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Ć ubariÄ
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 728
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Von der GrĂŒndung der UniversitĂ€t bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Ć ubariÄ) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Ć ubariÄ/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Ć ubariÄ) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- AbkĂŒrzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322