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846 Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773)
Unterrichter,
De aestu Lacus
Lucii in Tyroli
dialogus
nicht
anlassgebundene
Aufsätze – Dissertation loben. Auffällig ist z.B. die Tendenz des Autors, Wortspiele mit Me-
taphern zu bilden, die vom diskutierten Gegenstand genommen sind. So leitet er
etwa von seiner These, heiße Dämpfe seien für Erdbeben verantwortlich, zu den
Beweisen im Einzelnen wie folgt über : Ne autem statuta conclusio de accensis vapori-
bus seu halitibus in vaporem abeat, patere illam vario rationum pondere roborare. (24 ;
„Damit nun aber die Schlussfolgerung von den entfachten Dämpfen oder Ausdüns-
tungen nicht einfach verdampft, lass sie mich mit dem Gewicht verschiedener Be-
gründungen verstärken.“) Die Fragestellung zu dem durch Erdbeben verursachten
Krach wird folgendermaßen eingeführt : Receptui canerem, nisi terrae motus mugitu
suo velut classico novos adderet animos, certam illi victoriam spondens, qui pro ex-
halationibus subterraneis praelia certaverit. (41 ; „Ich würde zum Rückzug blasen,
wenn mir das Erdbeben nicht durch sein Dröhnen wie aus einer Kriegstrompete
neuen Mut eingeben würde, indem es demjenigen sicheren Sieg verspricht, der die
Schlacht für die unterirdischen Ausdünstungen schlägt.“)
Abschließend nur noch einige Worte zu Joseph Unterrichters „Dialog über das Auf-
wallen des Hechtsees in Tirol“ (Innsbruck 1761). Auch hier spielt das Erdbeben von
Lissabon eine große Rolle : Der den Dialog mit einem Fischer bestreitende Philosoph
führt die zeitgleiche Aufwallung des Tiroler Hechtsees auf das portugiesische Beben
zurück und nimmt dieses Indiz zum Anlass, eine unterirdische Verbindung zwischen
dem Hechtsee und dem Atlantik anzunehmen ; er findet dadurch seine Theorie be-
stätigt, dass Erdbeben durch heftige Bewegungen von Wasserdämpfen entstehen, die
sich in unterirdischen Kanälen ihren Weg bahnen. Neben dem wieder stark lokalhis-
torischen Inhalt ist an Unterrichters Werk die Form bemerkenswert : Der elegante
Dialog ist weit von einer trockenen oder auch nur fachwissenschaftlich spezialisierten
Abhandlung entfernt. Dies ist u.a. darauf zurückzuführen, dass seit etwa der Mitte des
18. Jhs.9 ein neuer, von der mündlichen Disputation ganz gelöster Typ von gedruckten
Dissertationen entsteht, dem auch Unterrichters Dialog angehört : Werke von Profes-
soren der Philosophie werden ab diesem Zeitpunkt vermehrt als Festschriften oder
-reden anlässlich der Verleihung der akademischen Grade an eine ganze Gruppe von
Kandidaten veröffentlicht. Statt einer Widmungsrede eines oder mehrerer Defenden-
ten an ihre(n) Gönner findet sich in diesem Fall eine einfache Liste aller Kandidaten.
Ebenso steht am Ende kein Gratulationsgedicht auf den oder die Defendenten. Dar-
über hinaus fällt die Appendix von Thesen für die mündliche Disputation weg – diese
liegt zum Zeitpunkt des Festakts ja schon in der Vergangenheit.
Dissertationen stellen in dieser Zeit zweifellos die wichtigste Gattung philoso-
phisch-naturwissenschaftlichen Schrifttums an der Universität dar. Doch nicht die
9 Das erste mir bekannte Exemplar ist Karl Lachemayrs Dissertatio de anima vegetativa („Dissertation
über die vegetative Seele“ ; Innsbruck 1750).
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 2
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 728
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- Abkürzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322